23.09.2020
Jahresserie 2020: Hoffnungsgeschichten
Hoffnungsträger BNT162b2
Die Firma Biontech gehört zu den weltweit führenden Unternehmen, die einen Impfstoff gegen Sars-CoV-2 entwickeln. Ihr Impfstoffkandidat BNT162b2 gilt als Hoffnungsträger. Es geht um die Gesundheit der Weltbevölkerung. Und um sehr viel Geld. Von Julia Hoffmann.
Biontech ist eine Biotechnologie-Firma aus Mainz. Das Unternehmen ist in seiner Entwicklung des Impfstoffs schon sehr weit vorangekommen. „Unser Ziel ist klar, wir wollen der Bevölkerung möglichst schnell einen wirksamen Impfstoff zur Verfügung stellen. Und zwar weltweit“, sagt Professor Ugur Sahin, der Chef von Biontech. Gemeinsam mit seiner Frau Özkem Türeci hat er die Firma im Jahr 2008 gegründet.
Das Kerngeschäft des Unternehmens besteht in der Entwicklung von individuellen Immuntherapien gegen Krebs. Doch im Januar 2020 sprach Sahin in einer Vorstandssitzung davon, dass sich Sars-CoV-2 zur Pandemie ausweiten könnte. Das Unternehmen beschloss, einen Impfstoff dagegen zu entwickeln. Die genetische Sequenz des Virus wurde am 12. Januar veröffentlicht, danach initiierte die Firma das Projekt „Lightspeed“ – Lichtgeschwindigkeit.
Derzeit testet die Firma den Impfstoffkandidaten an 30.000 freiwilligen Teilnehmern weltweit. Diese Tests haben im Juli begonnen, sie werden vor allem dort durchgeführt, wo die Infektionsraten hoch sind, in den USA zum Beispiel. Denn nur so kann untersucht werden, ob der Impfstoff einen ausreichenden Schutz gegen das Virus bietet.
Wie brüchig die Hoffnung auf einen baldigen Impfstoff ist, zeigt der Fall des britisch-schwedischen Pharmakonzerns AstraZeneca, der gemeinsam mit der Universität Oxford einen Impfstoff entwickelt. Der Konzern musste laufende klinische Studien eines vielversprechenden Impfstoffkandidaten zunächst stoppen, nachdem eine Teilnehmerin schwer erkrankt war. Es hat sich aber inzwischen herausgestellt, dass der Impfstoff nicht der Grund für die Erkrankung gewesen ist. Die Tests gehen weiter. Dass Tests unterbrochen werden müssen, ist nicht ungewöhnlich. Üblicherweise dauert es Jahre, bis ein Impfstoff zugelassen wird und auf dem Markt verfügbar ist.
Unklar ist, wann genau der Impfstoff von Biontech zur Verfügung stehen wird. Die Firma plant, im Oktober die Zulassung zu beantragen, und bis Ende 2020 etwa 100 Millionen Dosen davon weltweit zur Verfügung zu stellen. Bis Ende 2021 wollen die Hersteller 1,3 Milliarden Dosen zur Verfügung stellen.
Auch die Bundesregierung setzt offenbar große Hoffnungen in die Bio-tech-Firma: Wie Bildungsministerin Anja Karliczek mitteilte, will die Bundesregierung das Unternehmen bei der Entwicklung eines Impfstoffs mit 375 Millionen Euro fördern. Das Tübinger Unternehmen CureVac soll 252 Millionen Euro bekommen, die Verhandlungen mit einem dritten Unternehmen, IDT Biologika aus Dessau- Roßlau, laufen noch.
Wenngleich das Interesse der Welt an einem solchen Stoff riesig ist, müssen die strengen Vorgaben zur Entwicklung eingehalten werden. Die Firma setzt dabei auf so genannte „mRNA“. RNA steht für Ribonukleinsäure, das „m“ steht für „messenger“, also Botenstoff. Dieser Botenstoff enthält vereinfacht gesagt eine Bauanleitung für Antikörper. Mit seiner Hilfe kann der Körper selbst Antikörper herstellen, ohne mit dem Corona-Virus in Kontakt gekommen zu sein. Ein Vorteil besteht darin, dass sich RNA sehr schnell in großen Mengen herstellen lässt. Und es ist weniger aufwändig als andere Verfahren zur Impfstoff-Herstellung. So etwa das Verfahren, Antikörper von genesenen Patienten zu verwenden oder das Virus zu kultivieren und es in abgeschwächter Form zu verabreichen. Einen Überblick über beide Varianten eines Impfstoffs verschafft die Grafik („Hintergrund“ links unten).
Und wenn es dann den Impfstoff gibt, ist dann Covid-19 für immer besiegt? Ganz so einfach scheint es nicht zu sein. Denn ähnlich wie bei einem Grippevirus ist auch bei Sars-CoV-2 davon auszugehen, dass das Virus mutieren könnte und erneut auftritt. Allerdings hilft der Impfstoff, die Ausbreitung unter Kontrolle zu bekommen. Und dabei, dass weniger Menschen insgesamt daran erkranken. Und wenn einmal ein Impfstoff gefunden wurde, ist es in der Regel einfacher, diesen entsprechend anzupassen.
Dass es sich bei Biontech um einen Hoffnungsträger handelt, davon zeigt sich auch der Markt überzeugt. An der Börse ist die Firma derzeit rund elf Milliarden Euro Wert. Mit den beiden Kooperationspartnern Pfizer (USA) und Fosun (China) stehen die Weltmärkte offen.
Zur Sache: Zwei Impfstoff-Strategien
Forscher arbeiten weltweit an Impfstoffen gegen Sars-CoV-2, um die Covid-19-Pandemie einzudämmen. Mehr als 90 Impfstoffe werden zurzeit entwickelt. Die verschiedenen Ansätze der Forschungsgruppen können in zwei Strategien unterteilt werden.
Die eine Strategie versucht eine Immunreaktion hervorzurufen, indem sie den menschlichen Körper in Kontakt mit den Virusproteinen bringt.
Der zweite Weg ist indirekter. Dabei wird der Bauplan für Virus-proteine als Impfstoff verwendet. Menschliche Zellen produzieren dann die Virusproteine, und das Immunsystem reagiert darauf. In beiden Fällen soll der Körper Antikörper gegen das Virus produzieren. (dpa)