31.08.2016

Die Religiöse Kinderwoche als Ostimport im Westen

„Diese Wochen tragen Früchte“

In westdeutschen Kirchengemeinden macht inzwischen ein Ostimport Karriere: die Religiöse Kinderwoche. Ganztagsschulen und zunehmende Diaspora erfordern solch neue Konzepte. In einer Mannheimer Gemeinde mit Erfolg.

Zu einer angesagten Veranstaltung wie Festivals gehören heute Armbänder für die Teilnehmer. Also auch bei einer Religiösen Kinderwoche mit dem Motto „fair unterwegs“.                                                             Fotos: Tobias Glenz

Mit lautem Zischen schießt die Rakete in den blauen Himmel über Mannheim. Gebannt schauen ihr 62 Kinder und Jugendliche auf dem Sportplatz an der Maria-Hilf-Kirche hinterher. Leuchtende Augen, Lachen, Beifall. Vor dem Start wird laut der Countdown gezählt. Die Kids freuen sich sichtlich, sind es doch „ihre“ Raketen, die da unter Wasserdruck in den Himmel steigen.
Dies ist einer von vielen Programmpunkten in der Religiösen Kinderwoche der Seelsorgeeinheit Mannheim-Südwest. Dort sind es die Pfingstferien, in denen Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 14 Jahren eine Woche lang in den Gemeinderäumen der Pfarrei leben.

Religiöse Kinderwochen, kurz RKW, sind ein Phänomen, das vorrangig in der ostdeutschen Diaspora zu finden ist. Dort werden sie seit 60 Jahren durchgeführt, um junge Menschen spielerisch an den Glauben heranzuführen. Seit sechs Jahren organisiert Gemeindereferentin Sandra Nitsche die RKW in Mannheim – nicht unbedingt klassisches Diasporagebiet. „Ich komme aus dem Bistum Magdeburg und habe die RKW gewissermaßen hierher importiert“, sagt die 34-Jährige.
Ministranten, KjG, Pfadfinder: In ihrer Seelsorgeeinheit sei zwar vorher schon gute Kinder- und Jugendarbeit geleistet worden, doch es fehlte etwas mit einer klaren religiösen Ausrichtung. Diese „Lücke“ wollte Nitsche mit den RKW schließen: „Erst bei uns lernen viele Kinder, dass sie mit ihrem Glauben unter Gleichaltrigen nicht alleine sind.“

Tage voller Beten, Singen, Putzen, Spielen, Basteln

Dreimal am Tag geht‘s in die Kirche
– ganz zwanglos.                       Foto: Tobias Glenz

Ein Tag bei der Mannheimer RKW ist klar strukturiert. Morgen- und Abendrunde in der Kirche mit Gesang, Gebet und geistlichen Impulsen geben den Rahmen vor. Dazwischen liegen Essen, Spülen und Putzen, lockeres Spielen rund um die Kirche, Zeiten zur Ruhe und Besinnung sowie Aktionen – wie der Bau der Raketen aus leeren PET-Flaschen und bunter Pappe. Übernachtet wird in Schlafsäcken verteilt auf die Gemeinderäume. „Dreimal am Tag gehen wir in die Kirche“, sagt Sandra Nitsche. Dort reflektiert die Gruppe, was hinter ihr liegt, und schaut nach vorne, was am Tag noch auf sie zukommt.

Elf ehrenamtliche jugendliche „Teamer“ stehen Nitsche bei der Betreuung der Kinder zur Seite. Darunter Alexander Gaddum (19), seine Schwester Laura und Emma Rumpf (beide 15). Alle haben schon mehrfach an den RKW teilgenommen. „Es macht mir einfach Spaß, hier mit den Kindern zu arbeiten“, beschreibt Azubi Alexander Gaddum seine Motivation. Emma ergänzt: „Normale Gottesdienste können für Kinder oft langweilig sein, die RKW dagegen bieten etwas Neues und Frisches.“ Pfarrer Martin Wetzel nennt die Woche ein „Highlight unserer Seelsorgeeinheit“.

In Zeiten von Ganztagsschulen sind klassische Gruppenstunden schwierig geworden. „Wir brauchen etwas mit missionarischem Charakter, eine neue Form der Kinder- und Jugendarbeit“, sagt Wetzel. Auch Kinder aus wenig religiösen Familien und Nicht-Getaufte nähmen gerne an den RKW teil und lernten so Glaube und Kirche (neu) kennen. „Die RKW tragen also wirklich Früchte.“ Werbung für die RKW macht Nitsche mit 1000 Flyern pro Jahr an den Schulen der Umgebung. Inzwischen gibt es das Angebot auch in anderen Gemeinden des Erzbis-
tums Freiburg.

Von Tobias Glenz