10.11.2014
Jahresserie Ü 50 – mittendrin! (10): Mängelwesen Mensch
„Ich finde Alterslinien schön“
Sprechstunde bei Dr. Eckart von Hirschhausen. Der Arzt, Komiker und TV-Moderator empfiehlt Rituale gegen das Wehklagen über Krankheiten und das Älter-Werden.
Frage: Dr. von Hirschhausen, in Ihrem aktuellen Programm „Wunderheiler“ verbinden Sie Medizin und Magie, Wissenschaft und Wunder, und erklären so Unerklärliches. Kann Magie wirklich helfen, zu heilen? Oder muss man bloß daran glauben?
Von Hirschhausen: Die Wissenschaft hat die Magie aus der Medizin vertrieben, aber nicht aus den Menschen. Gerade weil wir keine Maschinen, sondern Lebewesen mit Leib und Seele sind, ist der Wunsch nach kleinen und großen Wundern immer da und findet zu jeder Zeit neue Ausdruckswege.
Wenn ich als Kind aufs Knie gefallen bin, hat meine Mutter gepustet und gesagt: „Schau, das Aua fliegt jetzt durchs Fenster“. Mein ganzes Studium über kam nicht vor, wie man Aua wegpustet, dabei weiß jeder, dass es wirkt.
Die wissenschaftliche Medizin ist grob fahrlässig mit allem umgegangen, was über seelische Prozesse die Selbstheilungskräfte aktiviert, und hat kategorisch alles als „nur Placebo“ abgetan. Und die Menschen rächen sich, in dem sie zu sehr unterschiedlich qualifizierten Anbietern strömen, die Zeit haben, besser zuhören oder mehr versprechen.
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Das wichtigste Medikament, um lange fit und fröhlich zu sein, sagt Dr. Hirschhausen, sind „Menschen“. Foto: Frank Eidel |
„Lachen ist die beste Medizin“, heißt es im Volksmund. Brauchen ältere Menschen nicht eher eine gehörige Dosis Galgenhumor, um mit ihren gesundheitlichen Unzulänglichkeiten zurecht zu kommen?
Ich glaube nicht, dass uns Galgenhumor unbedingt weiterbringt, sondern ein anderer Umgang mit dem Älterwerden. Gesundheit – gerade im Alter – klingt so rasch nach weißen Kitteln und „du darfst nicht“. Dabei entsteht Gesundheit im Alltag, und das wichtigste Medikament, um uns lange fit und fröhlich zu halten, sind andere Menschen.
Es gibt keine Pille, die das Leben so sehr verlängert, wie ein Engagement für andere! Lange bevor ein Arzt zum Rezeptblock greift und ein Anti-Depressivum aufschreibt, sollte er ein Ehrenamt verordnen, das gibt einem etwas, was weit über Gesundheit hinausgeht: Sinn und das Gefühl, gebraucht zu werden! Ich bin außerdem ein großer Befürworter von Mehrgenerationenhäusern, das Glück der Gemeinschaft dürfen wir nicht unterschätzen.
„Wenn du über 50 bist und dir beim Aufwachen nichts wehtut, gibt es dafür nur eine Erklärung: Du bist tot.“ Teilen Sie diese Einschätzung?
Nein, die teile ich nicht. Gerade heute gibt es mehr denn je über 50-Jährige, die fit und aktiv sind. Und es gibt viele beruhigende Studien über das Älterwerden: Erstens nimmt die Lebenszufriedenheit mit dem Alter gewöhnlich zu.
Und zweitens: Je älter man wird, desto älter wird man. Klingt komisch, ist aber so: Statistisch steigt die Lebenserwartung mit jedem Jahr, das man erreicht. Denn wer bis 70 noch nicht gestorben ist, wird mit höherer Wahrscheinlichkeit 80 als einer, der erst 42 ist und bis 80 noch einige Hindernisse zu bewältigen hat.
„Altwerden ist nichts für Feiglinge“, lautet ein Spruch. Wie können es auch „Weicheier“ schaffen, alt zu werden?
Sich einfach die Alternative vorstellen!
Das Wartezimmer beim Arzt ist voll besetzt mit der Generation „Ü 50“, wenn die „Apotheken-Umschau“ erschienen ist. Sind Hypochonder besonders in der Altersgruppe vertreten
Für manche Menschen wird die Krankheit zum Lebensinhalt, zum Gesprächsthema Nummer eins und zur Hauptbeschäftigung. In meinem Bühnenprogramm gebe ich viele konkrete Hinweise, wie man sich günstigere Rituale schafft als das Wehklagen.
Von Jens Corssen empfehle ich die Bettkanten-Übung: Jeden Morgen vor dem Aufstehen kurz überlegen, wofür man heute aufstehen möchte. Mit einem klaren Ziel und Wunsch vor Augen den Tag zu beginnen, macht einen großen Unterschied.
Wir haben große Möglichkeiten, über den Geist unseren Körper krank zu machen oder gesund. Und so wie es heute selbstverständlich ist, seine Zähne zu putzen, wird es hoffentlich in der nächsten Generation selbstverständlich, etwas für seinen Geist zu tun, denn auch trübe Gedanken bilden Beläge. Und da finde ich unter älteren auch sehr viele gelassene und heitere Persönlichkeiten, die wissen, was wichtig ist – und wie vieles nicht.
Es gibt Kulturen, in denen gelten ältere Menschen als weise und werden mit Ehrfurcht behandelt. Hierzulande greift der Schlankheits- und Jugendwahn um sich: Botox statt Lebenslinien im Gesicht. Ist das wirklich erstrebenswert?
Nein, auf keinen Fall! Ich finde Alterslinien und Lachfalten erstrebenswert und schön. Wenn ich eine Frau sehe, die über 25 ist und keine Fältchen an den Augen hat, dann frage ich mich nicht: Was hat die für eine Creme? Ich frage mich: Was hat die für eine Lebenseinstellung? Mit der möchte ich nicht im Fahrstuhl stecken bleiben, wenn Sie wissen, was ich meine. Was aber tut die moderne Frau? Sie spritzt sich eine der giftigsten Substanzen, die die Menschheit kennt – Botulinustoxin – in die Stirn. Wer seine Gesichtsmuskeln nicht mehr lebendig bewegen kann, sieht nicht immer gleich fünf Jahre jünger aus, wohl aber 30 IQ-Punkte dümmer. Da muss man sich gut überlegen, ob es das einem Wert ist – ich hoffe, Ihnen allen nicht!
Interview: Heike Kaiser
Zur Sache: Der "Wunderheiler" auf CD
Eckart von Hirschhausen erzählt von seiner Reise durch Arztpraxen, Krankenhäuser und die Wunderwelt der alternativen Medizin von China bis Mecklenburg-Vorpommern: Der Live-Mitschnitt seines Bühnenprogramms „Wunderheiler“ ist jetzt auf CD im Hörverlag erschienen. Etwa 70 Minuten für 14,99 Euro. (kai)