19.12.2016

Lieselotte Weihrich (89) im Caritas-Pflegeheim in Wiesbaden

Auf einen Glühwein mit ...

Viele Weihnachtsmärkte werden vor Heiligabend wieder abgebaut. Hier lesen Sie die letzte Folge der Adventsserie „Auf einen Glühwein mit ...“, für die sich die Kirchenzeitung mit Menschen traf, um über die Botschaft hinter Lichterketten, Sternen und Adventskränzen zu sprechen. Von Sara Mierzwa.

Frage: Wie feiern Sie die Adventszeit im Pflegeheim?
Lieselotte Weihrich: Morgens singen wir jetzt nach der Zeitungsrunde, bei der uns vorgelesen wird, ein Weihnachtslied. Ich singe eigentlich nicht so gerne. Ich hatte im Singen in der Schule immer eine vier. Mittags gibt es öfter Plätzchen. Ich trinke aber nur einen Kaffee. Plätzchen sind Dickmacher.

Mögen Sie die Adventszeit?
Also ehrlich gesagt, bin ich froh, wenn der ganze Rummel wieder vorbei ist. Seit die Adventszeit so vorgezogen ist und es im Oktober schon Lebkuchen gibt, finde ich das alles übertrieben. Meine Mutter hat die Plätzchen vor Weihnachten immer versteckt. Dann war es auch wirklich etwas Besonderes an Heiligabend. Dass morgens schon seit Wochen Weihnachtslieder im Radio laufen, nervt mich auch.

Lieselotte Weihrich in Ihrem Sessel von Zuhause.
Foto: Sara Mierzwa

Wie haben Sie früher Heiligabend gefeiert?
Das war nichts Großes. Es gab Kartoffelsalat und Würstchen. Ich erinnere mich an einen Ball als Weihnachtsgeschenk. Den hat mein Bruder sich ausgeliehen und dann war er kaputt. Einen neuen gab es nicht. Meine Mutter hat mir eine Puppenküche geschenkt, mit der wir aber nur an den Weihnachtstagen spielen durften. Es gab ansonsten nicht genug Platz in der Wohnung.

Was ist für Sie die wichtigste Botschaft im Advent?
Jesus wurde an Weihnachten geboren. Daran erinnern wir uns. Ich schaue am Wochenende immer die Adventsgottesdienste im Fernsehen und bete das Vaterunser mit.

Was würden Sie auf Ihren Wunschzettel an Gott schreiben?
Er soll endlich Ruhe und Frieden in die Welt bringen. Es soll keine Waffen und keinen Krieg mehr geben. Manchmal glaube ich, Gott ist zu alt für seinen Job. Er bekommt das alles nicht mehr richtig hin. Für mich wünsche ich mir, dass ich wieder laufen kann. Mehr will ich gar nicht.

Auf was sollten sich Menschen im Advent besinnen?
Mehr Beständigkeit und Ruhe würde den Menschen guttun. Die Geschäfte sollten nicht mehr nach acht Uhr geöffnet sein. Zu wenige denken an die Verkäuferinnen und Verkäufer.
Außerdem reisen heutzutage viele Menschen im Urlaub durch die ganze Welt. Ich bin mit meinem Mann 30 Jahre lang immer nach Amrum gefahren. Dort konnten wir wirklich Kraft für den Alltag sammeln und das war nicht stressig. Die Insel hat sich jedes Jahr ein wenig verändert. Das ist spannend zu beobachten. Wenn ich nicht schlafen kann, gehe ich in Gedanken auf Amrum spazieren. Dann brauche ich keine Pille. Und die Menschen sollten nicht so viel wegschmeißen. Ich habe immer noch meine Puppe aus der Kindheit, die auf meinem Nachttisch sitzt.

An welchen Orten begegnen Sie Gott in der Adventszeit?
Wenn ich mich an Amrum erinnere: Abends wenn es ganz ruhig war und ich in den Dünen saß und an den Horizont geschaut habe, dann habe ich Gott gespürt.

Schreiben Sie Karten im Advent?
Ich schreibe an eine 101-jährige Mitbewohnerin im Heim. Zum Glück geht das wieder zwei Jahre nach meinem Schlaganfall.

Welche Begegnungen mit Menschen tun Ihnen gut?
Eine Bekannte, die bei uns die Wohnung geputzt hat, kommt jede Woche vorbei. Sie hat mir den Weihnachtsstern auf dem Tisch mitgebracht. Letzte Woche habe ich ihr meine Porzellan-Glocken geschenkt, die sie mit ihren Enkelkindern an den Weihnachtsbaum hängen kann. Daran werde ich an Heiligabend denken.

Was haben Sie in Ihrem Leben Gutes getan?
Ich habe mich um meine Eltern und Schwiegereltern gekümmert, den Haushalt ordentlich geführt, beim Sozialamt gearbeitet und nach meinem Mann geschaut, als er krank wurde.

Denken Sie manchmal über Ihren Tod nach?
Ja, ich habe schon alles geplant. Ich bekomme ein Reihenwiesengrab. Da kommen keine Blumen drauf, nur ein Grabstein mit betenden Händen. Und neben der Wiese steht eine Bank und ein Kreuz, falls mich jemand besuchen kommen möchte. Mein verstorbener Mann liegt auch schon dort begraben. Und wenn es wirklich einen Gott gibt, dann kann ich vor ihm stehen ohne schlechtes Gewissen.

 

Im Clemenshaus der Caritas in Wiesbaden gibt es 41 Einzelzimmer für pflegebedürftige Senioren. Die Bewohner können ihre eigenen Möbel mitbringen. Für Menschen mit Demenz gibt es spezielle Angebote. Insgesamt betreibt die Caritas Altenwohn- und Pflegegesellschaft (CAP) in Wiesbaden sechs Häuser.

www.cap-wiesbaden.de