26.04.2017

Feier einer Pfingstvigil

Eine Nacht für den Geist

Feuer und Flamme für Jesus waren die Jüngerinnen und Jünger am Pfingsttag. Gefeiert werden kann das heute auch mit einer Pfingstvigil: eine ungewöhnliche liturgische Form, die aber begeistern kann.


Foto: kna
Zu Pfingsten regnen Rosenblütenblätter ins römische Pantheon. Foto: kna

„Vigilium“ ist lateinisch und heißt „Nachtwache“. In der Kirche ist eine Vigil deshalb eine liturgische Feier, die in der Nacht stattfindet. Nachts zu beten und betend den neuen Tag zu erwarten, das hat schon Jesus mehrfach getan (Lukas 6,12; Matthäus 14,23) – es scheint ein besonderes Erlebnis zu sein, ein Gebet mit besonderer Intensität. Für die frühe Kirche sind deshalb viele Vigilfeiern bezeugt, ganz regelmäßig in der Nacht zum Sonntag.

Übrig geblieben ist davon – außer in Klöstern und beim „ewigen Gebet“ nicht viel. Sogar die „Ostervigil“, die Nacht zum Ostersonntag, starb quasi aus, bis sie vor allem nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wiederbelebt wurde. Heute ist die Auferstehungsfeier in der Nacht oder in den Sonnenaufgang hinein in vielen Gemeinden üblich.

 

Eine unbekannte, aber „empfohlene“ Feierform

Kaum wiederbelebt wurde hingegen die „Pfingstvigil“, die Gebetsnacht zum Pfingstsonntag. In einem Rundschreiben von 1988 wird sie von der Kirche offiziell „empfohlen“, doch durchgesetzt hat sie sich kaum. Dabei hat sie zwei Vorteile: Erstens lässt sie durch ähnliche Gestaltungselemente die enge Verbindung zwischen Ostern und Pfingsten noch einmal spürbar werden. Und zweitens verdeutlicht sie die Bedeutung von Pfingsten als wichtiges Hochfest – statt als frühsommerlicher Ausflugstermin.

Das Messbuch schlägt zwei Feierformen vor: Entweder verbunden mit der Vesper, also dem Abendgebet der Kirche oder verbunden mit der Vorabendmesse zu Pfingsten, die entsprechend ausgeweitet wird. Die zweite Form bietet sich dann an, wenn vor allem die eigene Kirchengemeinde eingeladen ist zurFeier. Die Vigil verbunden mit der Vesper richtet sich besonders an Gemeinden, die entweder gemeinsam mit einer evangelischen Gemeinde zu einer „ökumenischen Pfingstvigil“ einladen oder ein bewusst offenes Angebot für religiös Suchende bereithalten wollen.

So wie das Berliner „Stadtkloster“, ein offenes Kloster, das der Orden der Herz-Jesu-Priester vor fünf Jahren im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg gegründet hat. „In Deutschland spricht man so oft von einer ‚lebendigen Kirche‘“, sagt Pater Ryszard Krupa, der aus Polen nach Berlin gekommen ist. „Lebendig ist die Kirche, wenn sie offen ist für den heiligen Geist. Deshalb feiern wir die Pfingstvigil, das Gebet um den heiligen Geist.“

Meditativ soll die Stimmung sein. Mit Gesängen aus Taizé, einem offenen Feuer vor der Kirche und vielen Kerzen, die den Weg zur Kirche und die Kirche selbst erhellen. „Wir feiern den Geist nicht als Sturm, sondern eher wie Elija als leichtes Säuseln“, sagt Pater Krupa. Die Texte verschiedener alter und moderner Autoren laden zum Nachdenken ein. Geistlich, aber offen auch für Nichtglaubende. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass immer wieder Passanten zwischendurch in die Kirche kommen, eine Weile bleiben und wieder gehen. Und das ist auch in Ordnung.“ International wird es auch sein. „In unserem Kloster kommt fast jeder aus einem anderen Land und spricht seine Sprache. So wie die Jünger nach dem Pfingstwunder“, heißt es im Programm. Und wer noch bleiben möchte, ist anschließend zu Brot und Wein eingeladen.

 

In Österreich deutlich mehr verbreitet

Verbindet man die Pfingstvigil mit der Vorabendmesse zum Pfingstsonntag, erkennt man die Nähe zur Osternachtfeier noch besser. So kann die Vigil mit einer Lichtfeier eröffnet werden, in deren Mittelpunkt ein an der Osterkerze entzündetes „Pfingstfeuer“ steht. „Im Symbol des Feuers mit seinem Funkenflug, der Glut, dem hellen Leuchten und der ausstrahlenden Wärme können wir ein Sinnbild für das Wirken und die Kraft des Heiligen Geistes erkennen, der auf die Jünger in Jerusalem wie Zungen von Feuer herabkam“, schreibt der Liturgiewissenschaftler Guido Fuchs.

Auf die Lichtfeier folgt – wie in der Osternacht – ein längerer Wortgottesdienst mit vier Lesungen aus dem Alten und zwei aus dem Neuen Testament. Dazu gehören etwa der Turmbau zu Babel und die Sprachverwirrung (Gen 11,1–19) und die Ankündigung der Ausgießung des Geistes beim Propheten Joël (3,1–5). Nach der vierten Lesung stimmt der Priester das Gloria an. Auf das Tagesgebet folgen wie üblich die neutestamentliche Lesung und das Evangelium. In der Gemeinde St. Andreas in Karlstadt (Landkreis Main-Spessart) schließt sich daran – analog zum Taufgedächtnis der Osternacht – ein „Firmgedächtnis“ an.

Schaut man nach  Österreich, dann scheint es, als sei die Pfingstvigil dort deutlich weiter verbreitet als bei uns. Viele Gemeinden laden dort dazu ein. Heraus ragt dabei die Grazer Pfarre Herz-Jesu, die zusammen mit anderen Veranstaltern mehrfach zu aufwendigen Feiern mit Musik, Tanz, Texten und Lichteffekten eingeladen und dazu sogar Videos im Onlineportal „Youtube“ veröffentlicht hat (Suchbegriff: „Der Atem Gottes: Pfingstvigil 2014“). Denn der Geist weht, wo und wie er will.

Buchtipp: Guido Fuchs: Veni Sancte Spiritus. Gebete, Lieder und Gottesdienste zum Heiligen Geist, Verlag Friedrich Pustet, 120 Seiten, 12,95 Euro.

Von Susanne Haverkamp