13.04.2016
Reisen auf den Spuren des Paulus
"Es ist einfach traurig"
An diesem und am kommenden Sonntag erzählt die Apostelgeschichte von der ersten Missionsreise des Paulus. Viele Orte und Regionen werden genannt. Wo sind sie und wie sieht es dort heute aus?
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Die erste Missionsreise des Paulus verläuft vor allem auf dem Gebiet der heutigen Türkei. Grafik: K. Kolkmeyer |
Die überregionale Bedeutung des Christentums begann den Missionsreisen des Paulus. Nach seiner Bekehrung, die wohl zwischen 35 und 40 n. Chr. stattfand, lebte Paulus zusammen mit Barnabas, dem Abgesandten aus Jerusalem, in „Antiochia am Orontes“ im damaligen Syrien. Die Stadt hat Bedeutung bis heute, denn „in Antiochia nannte man die Jünger zum ersten Mal Christen“ (Apg 11,26).
Antiochia am Orontes heißt heute Antakya, hat rund 150 000 Einwohner und liegt in einem schmalen Streifen der Türkei ganz nah an Syrien. „Die Gegend lebt von ein bisschen Landwirtschaft und viel Tourismus“, erzählt Cahit Kösker, der in Antalya eine Agentur für Studien- und Pilgerreisen betreibt. Doch wegen des Syrienkonflikts und der Flüchtlingskrise ist Antakya touristisch wie ausgestorben. „In diesem Jahr wurde dort noch kein einziger Touristenbus gesehen. Früher standen da oft dreißig oder vierzig Stück.“
Für gerechtfertigt hält er das nicht. „Ich lese jeden Tag deutsche Zeitungen, ich weiß welches Bild dort vermittelt wird.“ In Wirklichkeit sähe es aber ganz anders aus. Er habe gerade erst mit einem Freund telefoniert, der Vorsitzender der dortigen orthodoxen Gemeinde ist. „Herr Jean sagt, Antakya ist wie immer friedlich und eine lebhafte Stadt, weder dort noch in der Hafenstadt Samandag, die früher Seleuzia hieß und wo Paulus sich eingeschifft hat, gibt es Flüchtlingslager oder Gefahr. Und das sage ich jetzt nicht aus rein wirtschaftlichen Gründen.“ Obwohl die wirtschaftliche Not inzwischen groß ist. „Im Hauptberuf ist mein Freund Silberschmied. Zwei seiner drei Geschäfte musste er schon schließen. Ohne Touristen verkauft er nichts.“
Von der nahegelegenen Hafenstadt Seleuzia aus brachen Paulus und Barnabas wohl im Jahr 46 auf und gelangten über Zypern an die Küste Kleinasiens in Pamphylien. Diese Region ist eine von den Römern gegründete Provinz, die drei größten Städte sind Side, zur Zeit des Paulus ein bedeutender Hafen, Attalia, heute die bekannte Urlaubsregion Antalyia und Perge, das einige Kilometer im Landesinneren über einen Fluss erreichbar war.
„Ich kann meine Leute nicht mehr bezahlen“
„Der Name ‚Pamphylien‘ ist heute immer noch bekannt“, erzählt Cahit Kösker. „Er schreibt sich auf Türkisch etwas anders, aber einen ‚Pamphylien-Kiosk‘ kann man in Antalya leicht finden.“ Allerdings möglicherweise einen ohne Kunden, denn auch diese Region leidet unter Urlaubermangel. „Es sind hier nicht nur die Deutschen, die wegbleiben“, so Kösker. „Es sind auch fünf Millionen Russen, die jetzt lieber ans westliche Mittelmeer reisen.“ Mit Konsequenzen für die Einheimischen. „Ich kann meine Busfahrer und Reiseleiter einfach nicht mehr bezahlen.“ Viel Verständnis hat Kösker für die Zurückhaltung der Urlauber nicht. „Antalya ist nicht gefährlicher als Brüssel oder Paris.“
Die Apostelgeschichte erzählt, dass Paulus und Barnabas zunächst nach Perge fuhren, eine damals recht bedeutende und reiche Stadt mit Annehmlichkeiten wie Badehäusern und schönen Villen mit schattigen Innenhöfen. Archäologisch hat Perge heute einiges zu bieten; in der Apostelgeschichte kommt sie aber sehr kurz weg: „Sie verkündeten in Perge das Wort. (Apg 14,25). Es scheint gewirkt zu haben, denn knapp 300 Jahre später nahm der Bischof von Perge am Konzil von Nizäa teil.
Von Perge aus wanderten Barnabas und Paulus durch das Taurusgebirge nach Antiochia in Pisidien, das auf über 1000 Meter Höhe liegt und noch heute ein verhältnismäßig raues Klima hat. In der dortigen Synagoge hielt Paulus eine große Predigt – die in der Lesung des Sonntags fast vollständig ausgelassen wird – und am folgenden Sabbat eine öffentliche Rede an alle. Unter der heidnischen Bevölkerung scheint er Erfolg gehabt zu haben, doch die Juden „veranlassten eine Verfolgung gegen Paulus und Barnabas und vertrieben sie aus ihrem Gebiet“.
Von dort zogen die Missionare etwa 150 Kilometer östlich nach Ikonien. Etwa um diese Zeit hatte Kaiser Claudius erlaubt, dass sich die Stadt, die an einem wichtigen Kreuzungspunkt in einer weiten Ebene lag, sich nach ihm benannte: „Claukonien“ hieß sie für eine Weile. Die Predigt war anfangs erfolgreich, aber auch hier schlossen sich bald Gegner zusammen, um die beiden zu steinigen, so dass Paulus und Barnabas nach Lystra weiterzogen.
Doppelt gepredigt hält besser
Die römische Kolonie Lystra lag nur 30 Kilometer südwestlich von Ikonien und war weniger jüdisch als heidnisch geprägt. Das führte zu neuen Verwicklungen. Denn erstens sprachen die Leute nur „Lykaonisch“, so dass sie Paulus und Barnabas kaum verstanden. Und als Paulus auch noch einen Gelähmten heilte, da hielten die Leute sie für Götter in Menschengestalt und wollten ihnen Opfer darbringen (Apg 14,8-19). Außerdem holte die Vergangenheit sie ein: „Von Antiochia und Ikonien kamen Leute und überredeten die Menge. Sie steinigten Paulus und schleiften ihn zur Stadt heraus in der Meinung, er sei tot.“ War er aber nicht, sondern zog hundert Kilometer südöstlich nach Derbe.
Dies ist der äußerste Punkt der ersten Missionsreise. Einfach wäre es gewesen, von dort direkt südöstlich nach Tarsus zu ziehen, zur Heimatstadt des Paulus. Aber sie wählten die riskantere Alternative und zogen trotz aller Drohungen auf demselben Weg zurück, besuchten wieder alle Städte – und schienen etwas mehr Erfolg gehabt zu haben. In der Lesung des kommenden Sonntags heißt es: „In jeder Gemeinde bestellten sie durch Handauflegung Älteste.“ Diese leiteten von da an die jungen Hausgemeinden, während Paulus und Barnabas über Attalia nach Antiochia am Orontes zurückkehrten.
Jahrelang folgten Reisende diesen biblischen Spuren. Heute nicht mehr, und das, findet Cahid Kösker, „ist einfach nur traurig“.
Von Susanne Haverkamp