02.10.2012
Leserreise auf den Spuren des Heiligen
Geheimtipp Franziskusweg
Der Einstieg war ein Aufstieg. Auf den ersten 500 Metern zum Kloster La Verna waren 100 Höhenmeter zu bewältigen. Es sollte nicht der einzige Anstieg bleiben während der zehntägigen spirituellen Wanderreise auf dem Franziskusweg. Der führte größtenteils durch die italienische Region Umbrien und endete für die Gruppe in Assisi. Von Bernhard Perrefort.
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Malerisch: Auch wenn es einige Male über steinige Wege ging, entschädigten herrliche Panoramablicke für die Anstrengungen. Fotos: Bernhard Perrefort |
Insgesamt geht der Geheimtipp Franziskusweg weiter bis Rieti, das in Latium liegt. Anders als der Jakobsweg in Spanien begegnen der Gruppe der von der Kirchenzeitung und den Pallottinern gemeinsam angebotenen Reise nur wenige Pilger. „Der Camino“, meint Ursula Knoch aus Rheinbach, die den Jakobsweg kennt, „ist im Vergleich zum Franziskusweg geradezu ein Sonntagsspaziergang.“ Die Tagesetappen auf dem Franziskusweg (zwischen 13 und 21 Kilometern) seien insgesamt zwar kürzer als die auf dem Jakobsweg, dafür aber durch die Anstiege von bis zu 450 Höhenmetern und die Abstiege von bis zu 900 Höhenmetern deutlich anstrengender. Einen gelaufenen Kilometer auf dem Franziskusweg multipliziert sie mit einem Lachen und Schweißperlen auf ihrem Gesicht mit dem Faktor drei. Damit seien die Schwierigkeitsgrade der zwei Routen gut dargestellt.
Gezielt vorbereitet hat sich aber niemand. Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind allerdings wie Elisabeth Sartorius aus Bensheim oder Gioconda und Gottfried Albert begeisterte Wanderer. Für das Ehepaar Albert aus Rüsselsheim ist mit der Tour „einfach ein Traum wahr geworden“.
Wie die Beiden waren schließlich in Assisi alle zufrieden, die Strecke bewältigt zu haben. Die faszinierenden Ausblicke über Täler, Schluchten, auf Wälder, Hügel und Berge entschädigten für das Gehen auf Asphalt, über Wiesen, Stock und Schotter, auf schmalen und breiten Wegen oder durch ausgetrocknete Bachläufe. Andreas Cronenberg aus Rheinbach, der ebenfalls schon nach Santiago de Compostella gepilgert ist, ist der Franziskusweg einfach „abwechslungsreicher“.
Es sind aber vor allem auch die Stätten, an denen Franziskus in den letzten Jahren verweilte und die Eindruck hinterlassen haben. Auf dem Berg in La Verna wird zum Beispiel in der Stigmatisierungskapelle gleich zu Beginn des Pilgerwegs daran erinnert, wie dem bereits kranken Franziskus Nägel durch den Körper geschlagen wurden. Dieser Anfang, unterstrich Pater Ulrich Scherer, geistlicher Leiter der Reise, stelle auch schon „den Höhepunkt der Christus-Vereinigung“ des heiligen Franziskus dar. Die war keineswegs vorgezeichnet. Franziskus, 1181 oder 1182 in eine reiche Kaufmannsfamilie hineingeboren, genoss sein Leben. Nachdem er als Ritter in Gefangenschaft geriet und erkrankte, erfolgte die Bekehrung.
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Geschafft: Die Pilgergruppe ist an der Basilika San Francesco, der Grabeskirche des Heiligen in Assisi, angekommen. Am Tag darauf führte sie ein Franziskaner durch die Unter- und Oberkirche. |
Er wollte wie Jesus in Armut und Demut leben. Es kam zum Bruch mit seinem Vater. Franziskus zog sich zurück und baute Kirchen wieder auf. Später predigte er die Frohe Botschaft. Seine Anhängerschaft der „minderen Brüder“ wuchs schnell. Auch Klara, wie Franziskus aus edlem Hause, ließ sich von seiner Begeisterung anstecken und verließ heimlich ihre Familie. Für sie gründete Franziskus einen eigenen Frauenorden. Franziskus starb 1226.
An einigen seiner Aufenthaltsorte verläuft die Pilgerstrecke vorbei. Unter anderem an einsam gelegenen Einsiedeleien, wie die von Cerbaiolo, am Kloster von Montecasale, wo Franziskus drei Räuber bekehrte, bei Gubbio, wo der Heilige die Begegnung mit dem Wolf hatte. Neben zahlreichen franziskanischen Stätten besichtigte die Pilgergruppe auch die Kirche San Damiano, die Franziskus Klara überließ und in der die spätere Heilige starb.
Literaturhinweis: Angela Maria Seracchioli: „Der Franziskusweg von La Verna über Gubbio und Assisi bis Rieti“, Tyrolia-Verlag, Innsbruck, 19,95 Euro
Nachgefragt: Pater Ulrich Scherer: "Ich kann das nur gehend"
Pater Ulrich Scherer, 50, hat die spirituelle Wanderreise der Gruppe auf dem Franziskusweg geleitet, in der bald das Du das Sie ablöste. Seit Jahrzehnten ist der Pallottiner als Pilger immer wieder unterwegs. Zu Fuß hat er unter anderem die Alpen mit dem Ziel Venedig überquert – von Rom träumt er noch – und ist den Jakobsweg gegangen. Ein Interview.
Frage: Nach vielen gewanderten Kilometern mit zahlreichen Aufs und Abs stehen wir hier vor der Basilika San Francesco, in der der heilige Franziskus begraben ist. Was empfindest du jetzt?
Pater Ulrich: Es ist schön, angekommen zu sein bei meinem fast Lieblingsheiligen.
Wir haben unterwegs viele Erfahrungen gemacht und zalreiche Eindrücke gesammelt.
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Impulse: Unterwegs lud Pater Ulrich Scherer (rechts) die Pilger immer zum Innehalten ein. Seine Texte orientierten sich dabei an das Vaterunser. |
Was ist für dich das Besondere an diesem Franziskus-Pilgerweg?
Wir sind vier Jahre auf den Jakobus-Spuren gewesen, davon drei in Spanien. Das Besondere an dem Franziskusweg ist die Stille, die Abgeschiedenheit, die Einfachheit. Er ist einfach nicht zu vergleichen mit der Masse an Pilgern in Spanien. Auf dem Franziskusweg ist man auf Schritt und Tritt dem Heiligen nahe, auch durch die Franziskaner, die an vielen Stätten präsent sind.
Du bist schon viele verschiedene Pilgerwege gegangen. Was macht für dich das Pilgern zu Fuß aus?
Einfach die Freiheit zu spüren. Befreiung kommt immer auch von außen, von Gott: Erlösung durch Christus. Sich befreien vom ganzen Ballast. Ich habe das gemerkt auf den vielen Wegen, wie der Rucksack von Mal zu Mal immer leichter wurde von anfangs 20 auf sieben Kilogramm. Den Weg zu Gott zu finden ist im Gehen für mich viel leichter. Das ist Meditation und Betrachtung – Exerzitien. Ich könnte dafür nicht zwei Wochen auf dem Stuhl hocken. Ich kann das nur gehend.