11.05.2016
Pfarrgemeinden im Odenwald helfen Jugendlichen in Rumänien mit Pfingstspenden
Hunger statt Karrieresorgen
Die einen sitzen mit ihren Smartphones in Slums, die anderen in verputzten Häusern: Jugendliche in Rumänien und Deutschland leben unterschiedlich. Bianca Zimmermann aus Michelstadt hat die Armut hautnah miterlebt. Von Sara Mierzwa.
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Für kurze Zeit sehen sie alle gleich aus: Beim Besuch eines Slum 2013 in Rumänien trugen Jugendliche aus Deutschland und Rumänien blaue T-Shirts. Foto: Pfarrei St. Sebastian |
Wackelige Treppenstufen, halb eingestürzte Dächer und Wäscheleinen zwischen den Häusern: „Das war wie in einem schlechten Film. Ich dachte, die Häuser stürzen ein“, sagt Bianca Zimmermann (28) aus Michelstadt. Sie hat 2013 mit anderen Jugendlichen aus der Pfarrgruppe „Am Odenwälder Einhardsweg“ Gleichaltrige in Rumänien besucht. Volkmar Raabe, Diakon in St. Sebastian in Michelstadt, organisierte den Austausch mit Jugendlichen aus seiner Region, seit er 2010 von einem rumänischen Pfarrer von der großen Armut dort erzählt bekam.
Die Franziskanerinnen von Salzkotten bei Caransebes und die Caritas-Sozialstation sind Raabes Kooperationspartner in Rumänien. Vor der Jugendbegegnung sammelte die Gemeinde Spenden: 2013 backten Jugendliche aus Michelstadt anlässlich der 72-Stunden-Sozial-Aktion 720 Muffins und 72 Kuchen. Mit dem Erlös aus dem verkauften Gebäck wurde die Außenanlage eines staatlichen Kindergartens in Caransebes renoviert. „Wir haben eine Schaukel wieder aufgebaut und die Wände gestrichen“, erzählt Bianca Zimmermann. Sie half gerne mit, aber war enttäuscht, dass so wenige der rumänischen Eltern die Jugendlichen unterstützten. „Rumänien war auch ein Kulturschock für mich“, sagt sie.
Essen und Computer sind nicht selbstverständlich
Viele Familien dort sind sehr arm, manche teilen sich mit neun Menschen zwei Zimmer, erzählt Bianca Zimmermann. „Die Jugendlichen brauchen Unterstützung durch Bildung“, sagt Volkmar Raabe. Er hat erlebt, dass viele Jugendliche keine Computer zuhause haben. Beim Verein „Kinderhilfe für das Leben“, den die Franziskanerinnen unterstützen, können die rumänischen Jugendlichen Computer benutzen, haben die Möglichkeit zu duschen und bekommen regelmäßig Essen. „Während die Jugendlichen in Deutschland Zukunftsängste um ihre Karriere und Angst vor Altersarmut haben, plagen die Jugendlichen in Rumänien Überlebensängste“, berichtet Volkmar Raabe. Es gibt Menschen in Rumänien, die Schrott sammeln müssen, um am nächsten Tag Essen zu haben. Seit Bianca Zimmermann in Rumänien war, ärgert sie sich nicht mehr, wenn ihr Lieblingsjoghurt ausverkauft ist. Sie hat gesehen, wieviel Ehrfurcht rumänische Jugendliche dem Essen entgegenbringen. Nicht nur Jugendliche sind von Armut betroffen, sondern auch alte Menschen, die von der Caritas-Sozialstation mit versorgt werden. Zwei- bis dreimal im Jahr fahren einige Helfer und Interessierte aus der Pfarrgruppe nach Caransebes und bringen Dinge wie Verbandsmaterial, Hygieneartikel und Gehhilfen. Das Geld dafür kommt von privaten Spendern – vor allem von Mitgliedern der Pfarrgruppe.
Unterstützung aus der Gemeinde
Volkmar Raabe erlebt in der Gemeinde viel Hilfsbereitschaft, aber manchmal auch Neid, dass so viel Geld in die Projekte fließt. Das nächste Mal fährt er im Juni nach Rumänien, das seit 2007 Mitglied der Europäischen Union ist. Es werden wieder einige Leute aus den Gemeinden mitfahren. „Es gibt es in Rumänien viele schöne Klöster, Kirchen und Landschaften“, sagt er. Klischees von kriminellen Banden haben sich bisher nicht bestätigt. „Ich hatte nie Angst, dass mir etwas passiert“, sagt Volkmar Raabe, der 40 Jahre als Polizist gearbeitet hat.
Am Weltjugendtag in Krakau werden sich einige Jugendliche aus Caransebes und der Pfarrgruppe „Am Odenwälder Einhardsweg“ wiedersehen. Seit der Jugendbegegnung 2013 sind einige immer noch über Facebook in Kontakt. Smartphones haben sie fast alle, die Jugendlichen in Deutschland und Rumänien.
Pfingstaktion von Renovabis
Das katholische Hilfswerk Renovabis unterstützt Menschen in Osteuropa. Es fördert rund 800 Projekte in den Bereichen Pastoralarbeit (zum Beispiel Jugendseelsorge), Pastorale Infrastruktur (zum Beispiel Renovierung von Kirchen und Gemeindezentren) und soziale Projekte wie Ferienfreizeiten für Bedürftige und Förderung von Schulen. Die diesjährige Kollekte an Pfingsten ist für Projekte zum Thema „Jugendliche im Osten Europas brauchen Perspektive“.