18.05.2016

Glückwünsche, Reden und viel Musik: Geburtstagsfest für Kardinal Karl Lehmann in Mainz

„Ich wünsche mir, dass wir von Ihnen lernen“

„Ich freue mich, wenn Sie zu meinem Geburtstag kommen. Aber reden Sie nicht über mich.“ Das hatte Kardinal Karl Lehmann dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, geschrieben. „Ja, worüber denn sonst?“ fragte dieser in der Rheingoldhalle. Über Europa natürlich – und dazu hatte er einiges zu sagen. Trotzdem wurde seine Rede zur Laudatio auf den Kardinal.   
Von Maria Weißenberger.

Kardinal Lehmann mit Martin Schulz und Kardinal Marx
Mit dem Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, und
seinem Nach-Nachfolger als Vorsitzendem der Deutschen Bischofskonferenz
freut sich Kardinal Karl Lehmann über das Programm zu seinem 80. Geburtstag.
Foto: Bistum Mainz

„Kardinal Lehmann gibt Orientierung in Zeiten großer Orientierungslosigkeit“, sagte Schulz. Lehmann lebe das Gebot der Nächstenliebe sichtbar, während mancherorts der kalte Egoismus Konjunktur habe. Er baue Brücken, wo andere Gräben aufreißen oder vertiefen. Dadurch habe der Kardinal etwas gewonnen, was man für kein Geld der Welt kaufen, durch keine noch so gute Werbekampagne erreichen könne: Vertrauen.

Und jemand, der Orientierung gibt und dem die Menschen vertrauen, den braucht dieses Europa, dessen Stärken Schulz in seiner Rede beschwor: ein Europa, das zu bauen möglich wurde, weil jene, die unter der „wütenden Raserei“ der Deutschen zu leiden hatten, dem deutschen Volk die Hand reichten. Ein Europa, das die totalitären Ideologien überwunden hat, das den Kontinent ins Unglück stürzte, und das an alte demokratische Traditionen anknüpfte.
 
Für viele ist unser Europa ein Sehnsuchtsort

Schulz führte Errungenschaften vor Augen wie den Aufbau des Sozialstaats, den wirkungsvollen Schutz von Grundrechten wie der freien Religionsausübung oder der Presse- und Meinungsfreiheit, das Bildungssystem, das jedem Kind unabhängig von seiner Herkunft faire Chancen gibt, den Schutz der Umwelt für künftige Generationen. „Für Millionen von Flüchtlingen auf der ganzen Welt ist unser Europa ein Sehnsuchtsort“, sagte Schulz. Viele Menschen wollten kommen, weil sie daran glauben, dass sie hier Schutz und vielleicht ein bisschen Glück finden könnten. „Darauf sollten wir eigentlich stolz sein“, betonte er. „Darauf sollten wir im Sinne der Nächstenliebe reagieren. Und viele Bürgerinnen und Bürger tun genau das.“

Gleichzeitig mache sich aber innerhalb neuer, populistischer Bewegungen eine Stimmung breit, die Europa ablehnt und die Renaissance des Nationalen als Weg in eine gute Zukunft darstelle. Kardinal Lehmann sei in eine Zeit hineingeboren worden, in der totalitäre und rassistische Ideologien Hochkonjunktur hatten. „Sie haben das alles erlebt und sind doch wie so viele andere in Ihrer Generation ein mutiger, weltoffener, zuversichtlicher, ja ein so wunderbarer Mensch geworden“, wandte sich Schulz direkt an Karl Lehmann. „Ich wünsche mir, dass wir von Ihnen lernen“, sagte er. „Ich wünsche mir, dass wir den Glauben an uns selbst wiederfinden und ich bin sicher, dass Sie uns allen dabei ein Vorbild sein können.“

Gezeigt, dass auch Katholiken denken können

Lehmanns Amtszeit als Theologe, Bischof und Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz sei ein „Charakteristikum“ der Bonner und Berliner Republik gewesen, sagte Dr. Thomas Söding, Professor für Neutestamentliche Exegese an der Ruhr-Universität Bochum. „Es spiegelt die große Bedeutung der Theologie in der Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Es gibt der Ökumene starken Auftrieb. Es schadet der politischen Kultur in Deutschland nicht, zu sehen, dass auch Katholiken denken können, und dass sie bis zu ihren höchsten Repräsentanten auf eine ethisch sensible und spirituell aufgeschlossene Rationalität setzen, die sich in einer pluralistischen Demokratie verständlich machen kann.“

Kinder- und Jugendkantorei Bensheim singt dem Kardinal ein Ständchen
„Wie schön, dass du geboren bist", sangen die Mädchen und Jungen der
Kinder- und Jugendkantorei St. Georg aus Bensheim unter Leitung von
Regionalkantor Gregor Knop. Im Hintergrund der Bistums-Projektchor.
Foto: Maria Weißenberger

Lehmann habe als einer der führenden Theologen den akademischen gegen den episkopalen Katheder getauscht – nicht aus Frust, sondern mit Lust. „Sie sind der akademischen Profession nach Philosoph und Dogmatiker, verstehen aber die pastorale Praxis nicht nur als Bewährungsfeld, sondern auch als Entdeckungsort der Theologie“, sagte Söding. Lehmanns theologisches Denken sei von den Realitäten des Lebens geprägt, die Fähigkeit, Menschen anzusprechen, sei für ihn ein theologisches Kriterium erster Güte.

Ein Kardinal für alle –  nicht nur für Katholiken

Als Brückenbauer würdigte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer den Kardinal. Er habe immer den Dialog zwischen den christlichen Konfessionen und den verschiedenen Religionen gesucht, ebenso das Gespräch mit der Politik. „Sie stehen für ein bejahendes Christentum, eines, das Weltoffenheit und Dialog nicht nur predigt, sondern auch aktiv lebt“, sagte sie. „Sie sind ein Kardinal für alle. Für Katholiken, für Protestanten, für Anders- und Nichtgläubige. Menschen jeglicher Herkunft und Religion schätzen Ihre menschliche, humorvolle, warmherzige Art“, sagte sie.
Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier lobte die „intellektuelle Brillanz“ und „unerschütterliche Zuversicht“ Lehmanns. Er sei „ein Glücksfall für die Gläubigen im Bistum Mainz, für die katholische Kirche und die Menschen in unserem Land“. Lehmann sei aufgrund seines Gespürs für politisches Handeln ein „geschätzter Gesprächspartner der Politik“ gewesen. Der Kardinal sei ein „Volksbischof“ gewesen, „beliebt, aber nicht beliebig“.

„Da lacht ein Aug’ – und eines weint“, beschrieb der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling auf typisch Mainzer Art die Gefühlslage vieler Mainzer angesichts des runden Geburtstags und die Entpflichtung Lehmanns vom Amt des Diözesanbischofs. Der Kardinal verkörpere als Ehrenbürger jene Attribute, „die man auch von den Beschreibungen der Gutenbergstadt als Hort der Lebensfreude kennt: weltoffen, tolerant, leben und leben lassen“.

Alles, was zu einem  Geburtstagsfest gehört

Grußworte gab es reichlich – nicht nur von Rednern im Saal, sondern auch über „Videobotschaften“. Aber auch sonst hatte die Feier in der Mainzer Rheingoldhalle alles, was zu einem „richtigen“ Geburtstagsfest gehört: Möglichkeiten der Begegnung beim Essen und Trinken im Foyer der Halle. Festliche Musik, gespielt und gesungen – wobei auch das Überraschungs-Geburtstagsständchen nicht fehlte: Thomas Gabriel, Regionalkantor in Seligenstadt, hatte eigens eine „Geburtstagskantate“ für den Kardinal komponiert und einen auf ihn abgestimmten Text dazu geschrieben.

Und was wäre ein Geburtstagsfest ohne Gäste? 1500 Menschen waren zu dem von ZDF-Journalistin Barbara Hahlweg moderierten Festakt gekommen, um ihren Bischof zu feiern. Und bestätigten mit ihrem lang an haltenden Applaus für das „Geburtstagskind“, was zuvor die jungen Sängerinnen und Sänger der Kinder- und Jugendkantorei St. Georg aus Bensheim ihm bescheinigt hatten: „Wie schön, dass du geboren bist – wir hätten dich sonst sehr vermisst!“