12.09.2016
Natürliche Gemeindeentwicklung
Messen, düngen, wachsen lassen
Großflächige Pastoralräume und leere Gottesdienste. Das, so scheint es, ist die kirchliche Landschaft in Deutschland.Überall? Nein. Es gibt Gemeinden, die wachsen. Einige tun das mit Hilfe der „Natürlichen Gemeindeentwicklung“.
![]() |
In den Himmel wachsen die Bäume kirchlicher Gemeinden nicht, aber hier und da grünt es noch. Foto: fotolia |
Messbarer Erfolg beim Gemeindewachstum, mittelfristig im Schnitt um 51 Prozent bei weniger Arbeit für Einzelne. Was Christian A. Schwarz, Gründer des Instituts für „Natürliche Gemeindeentwicklung“ (NGE), verspricht, klingt für manchen dick aufgetragen. Doch, bestätigt Oliver Schippers vom Büro der NGE Deutschland in Gießen, zehn bis 15 Prozent der christlichen Gemeinden in Deutschland wachsen: in der Mitgliederzahl, bei Gottesdienstteilnahme und Bekehrungen.
Darunter sind zwar viele freikirchliche Gemeinden. Doch Schippers und rund 30 weitere NGE-Berater in Deutschland werden auch von katholischen und evangelisch-landeskirchlichen Gemeinden angefragt. Pfarrer, Gemeindeleiter, Ehrenamtlichtewollen wissen: Wo stehen wir? Wie wirken wir? Was können wir tun, um lebendiger zu werden?
Eine lebendige Gemeinde, so das Konzept, ist durch acht Merkmale gekennzeichnet (siehe
„Zur Sache“). Die Theologie der NGE, entwickelt aus US-amerikanischen Ansätzen, ist inspiriert vom Gleichnis von der selbstwachsenden Saat (Markus 4,26–29). Daher der Begriff „Natürliche Gemeindeentwicklung“: Für das Wachstum sorgt Gott, die Gemeinde muss die Blockaden beseitigen.
90 Aussagen zu acht Bereichen der Gemeinde
Nach einem ersten Informationsgespräch erhält die Gemeinde Fragebögen und Zugang zu einem entsprechenden Internetportal. Dort bewerten dann mindestens 30 engagierte Gemeindemitglieder knapp 90 Aussagen zu den acht Merkmalsbereichen. Etwa hinsichtlich der Leitung: „Unser Pastor ist überarbeitet“ oder „Unsere Leiter bemühen sich, Hindernisse, die meiner Arbeit in der Gemeinde im Wege stehen, zu beseitigen“ oder „Unser Leiter ist davon überzeugt, dass Gott möchte, dass unsere Gemeinde wächst“. Andere Aussagen betreffen Spiritualität, Gottesdienste, Organisation oder Beziehungen der Gemeindeglieder untereinander. Jedes Mal können Zustimmung bzw. Ablehnung von 1 bis 5 vergeben werden.
30 Fragebögen sollten es mindestens sein, darunter wird es schwierig mit der Aussagekraft. Die Antworten gleicht das NGE-Team mittels Software mit den Gemeindeprofilen von rund 70 000 anderen Gemeinden in gut 80 Ländern ab und errechnet daraus ein erstes Gemeindeprofil. Das Ergebnis wird der Gemeinde telefonisch oder in einem persönlichen Gespräch erläutert. So viel ist in dem Basispaket für 345 Euro enthalten.
Die Gemeinde kann die Diagnose zu den Akten legen. Oder entscheiden, dass sie ihre Schwächen verbessern will. Etwa: Gemeindefeste so organisieren, dass die Besucher besser ins Gespräch kommen, eine konzertierte Predigtreihe, Supervision für Hauptamtliche … In katholischen Gemeindem, so hat Oliver Schippers beobachtet, hapert es meist an „leidenschaftlicher Spiritutalität“ und dann am „liebevollen Umgang“. Damit eine Gemeinde sich verbessern kann, bietet die NGE neben Gesprächen weiterführende Ratgeberliteratur an.
Anerkannte Grundlage für weitere Gespräche
All das ersetzt keine komplexe Gemeindeberatung, wie sie bei Strukturreformen oder Fusionen nötig ist. Aber sie kann ein Element von Beratung sein. Maria Herrmann, in Hildesheim zuständig für Ökumene und neue Formen kirchlichen Lebens, hält das NGE-Modell in bestimmten Situationen für „total sinnvoll“. Es sei ökumenisch anerkannt und ein gutes Werkzeug, um über Gemeindeentwicklung ins Gespräch zu kommen. Wenn eine Gemeinde später ein zweites, gar drittes Profil erstellen will, kann sie feststellen: Gott hat uns tatsächlich wachsen lassen – quantitativ bei Mitgliedern und Gottesdienstteilnehmern oder qualitativ im Umgang und in unserem Glauben.
Natürliche Gemeindeentwicklung Deutschland, Oliver Schippers, Bärner Str. 12, 35394 Gießen, Tel. 06 41/49 41 00 13, www.nge-deutschland.de
Zur Sache
Was macht eine Gemeinde lebendig? Acht Merkmale:
Bevollmächtigende Leitung: Sind die Leiter darauf ausgerichtet, andere Christen zum Dienst zu befähigen?
Gabenorientierte Mitarbeiterschaft: Werden Aufgaben nach dem Kriterium der geistlichen Begabung vergeben?
Leidenschaftliche Spiritualität: Ist das geistliche Leben der Gemeindemitglieder von Leidenschaft geprägt?
Zweckmäßige Strukturen: Tragen die Strukturen zum Wachstum bei?
Inspirierender Gottesdienst: Ist der Gottesdienstbesuch für die Gemeinde eine inspirierende Erfahrung?
Ganzheitliche Kleingruppen: Gehen die Kleingruppen auf die wirklichen Fragen der Teilnehmer ein?
Bedürfnisorientierte Evangelisation: Sprechen die missionarischen Aktivitäten die Bedürfnisse derer an, die gewonnen werden sollen?
Liebevolle Beziehungen: Sind die Beziehungen der Gemeindeglieder von Liebe geprägt?