16.09.2016
Hoffnung auf "allerletzte" Gespräche
Neues Buch von Benedikt XVI.
"Letzte Gespräche" heißt das neue Interviewbuch von Peter Seewald mit dem emeritierten Papst Benedikt XVI. Der übt darin scharfe Kritik an der deutschen Kirche - und sorgt für Gesprächsstoff.
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Benedikt XVI. zusammen mit Papst Franziskus zur Feier seines 65-jährigen Priesterjubiläums Ende Juni. Foto: kna-bild |
"Wir sprechen über alles", sagt Erzbischof Georg Gänswein über sein Verhältnis zu Benedikt XVI. 2003 wurde der gebürtige Schwarzwälder Privatsekretär des damaligen Kurienkardinals Joseph Ratzinger und späteren Papstes. Seither hält er seinem Chef die Treue. Und obwohl beide stets im Gespräch sind, hat auch Gänswein noch Neues erfahren aus Peter Seewalds aktuellem Interviewbuch "Letzte Gespräche" mit dem emeritiertem Papst, das dieser Tage bei Droemer erschienen ist.
Bei der offiziellen Vorstellung am Montag im Münchner Literaturhaus führt Gänswein in das Werk ein. Er lobt das Buch, dessen Fahnen er vorab mehrmals gelesen hat, so dass er manche Passagen auswendig weiß, wie er bekennt. Hier werde kein "streitbarer Hardtalk" geboten, der Autor habe Benedikt XVI. "nicht grillen" wollen. Und doch seien es "neugierige Fragen", die Seewald für seine geplante Biografie über den Papst gehabt habe - "mit der er offenbar nicht so recht vorwärts kommt". Ein demütiges "Mea culpa" des Autors ist aus dem Zuhörerkreis zu vernehmen. Denn immerhin soll diese Biografie später als Drehbuchvorlage für einen Film von Joseph Vilsmaier dienen.
Doch die Antworten von Benedikt XVI. waren so interessant, dass Seewald seinen Gesprächspartner überreden konnte, das mittlerweile vierte Interviewbuch mit ihm zu veröffentlichen. Mit dem Niederbayern Seewald und dem Oberbayern Ratzinger haben sich offenbar zwei Seelen gefunden. "Es gibt keine Sprachbarriere", weiß der Journalist zu berichten, auch habe sein Gegenüber niemals eine Frage zurückgewiesen. Nur bei der verabredeten Zeit bleibe es jedes Mal. Überzogen werde nicht, weil der emeritierte Papst seinen Zeitplan für Beten, Essen und Mittagsruhe einhält.
Gänsweins Deja-vu
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Der Autor Peter Seewald Foto: kna-bild |
Bei der Lektüre hatte Gänswein eine Art Deja-vu. Der emeritierte Papst erzählt darin, wie er als 18-Jähriger Ende April 1945 seinen Posten als Flakhelfer verließ. In seinen Erinnerungen hieß es lapidar, "entschloss ich mich, nach Hause zu gehen". Dass es sich dabei um Fahnenflucht handelte und er jederzeit hätte erschossen werden können, kommentierte Benedikt XVI. mit den Worten, er könne sich selber nicht erklären, "also welcher Grad von Naivität mir da zu eigen war". Vielleicht sei dies ja der "verborgene Schlüssel auch für seine Schritte am Lebensende", gibt Gänswein zu bedenken.
Die Entscheidung, das Papstamt niederzulegen, verteidigt Benedikt XVI. vehement. Vor allem gesundheitliche Gründe seien maßgeblich gewesen, und Gänswein räumt ein, da er den emeritierten Papst täglich sehe, dies mit der Zeit auch für sich akzeptiert zu haben. Der einst leidenschaftliche Wanderer macht heute nur noch kleine Schritte und die zur Sicherheit mit dem Rollator. Im "Oberstübchen" aber, wie sein Sekretär flapsig betont, sei alles in Ordnung.
Dass Benedikt den hoch bezahlten deutschen Katholizismus und eine Gewerkschaftsmentalität von kirchlichen Mitarbeitern kritisiert, sieht Seewald realistisch. Hier gehe es um die "Sorge eines alten Hirten". Im Übrigen habe er schon als Kardinal seine Vorbehalte gegenüber dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) gehabt. "Getroffene Hunde bellen", lautete der Kommentar Gänsweins auf die Reaktion des ZdK-Präsidenten. Als "ziemlich giftig" wertete er die Aussagen des Jesuiten und "Stimmen der Zeit"-Chefredakteurs Andreas Batlogg. Der hatte gemeint: "Dieses Buch sollte es nicht geben." Denn Benedikt XVI. habe sich ganz aus der Öffentlichkeit zurückziehen wollen.
Missverständnisse sollen wohl demnächst auch zwischen Benedikt XVI. und dem Münchner Kardinal Reinhard Marx ausgeräumt werden. Dessen von Seewald kolportierte Bemerkung, die "Hofhaltung" im Vatikan sei viel zu pompös, habe den früheren Papst überrascht. Habe er doch immer sehr einfach gelebt. Auf die Frage eines Journalisten, ob denn die beiden nicht miteinander reden, sagte Gänswein, dass dies durchaus der Fall sei, nur eben über dieses Thema bisher nicht.
Weiß Seewald nun alles über seinen langjährigen Gesprächspartner? Der Autor erklärte, er hoffe auf eine weitere Stunde, um Fragen zu stellen. Dann wohl für die "Allerletzten Gespräche".
kna