17.02.2016

Aus der Rubrik „Heilsam"

Nicht alt, aber älter?

„Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!“ „Oh, danke.“ „Wie alt sind Sie denn geworden?“
Oh, ist Ihnen diese Frage peinlich?!? Vielen Zeitgenossinnen und –genossen geht es so: Sie werden älter – aber nicht alt. Es soll Menschen geben, die ihren 49. Geburtstag feiern – und das seit mehr als zehn Jahren. Von: Peter Schmalstieg.

Ältere Dame Foto: fotolia
Das Alter akzeptieren, auch mit Falten. Junge Menschen sehen in alten
Menschen „Experten für das Leben“, meint Klinikseelsorger Peter Schmalstieg.
Foto: fotolia

Als ich kein Bivi (bis vierzig) mehr war, sondern ein Uhu (unter hundert), wurden die runden Geburtstage interessant. „Er nullt“, das meinte plötzlich: Jetzt wird er mit Riesenschritten „alt“. Egal, ich habe jeden Geburtstag genossen. Und am Tag danach? Ein neuer Tag lag vor mir, der Geburtstag hinter mir. Ich bin einen Tag älter geworden. Oder ein Jahr? Oder etwa ein Jahrzehnt? Ja, ich werde älter. Jeden Tag ein bisschen.
Wenn sich eine Einundachtzigjährige sträubt, ins „Altersheim“ zu ziehen („Da wohnen doch nur Alte!“), dann will sie so alt doch nicht sein. Ein bisschen älter als die eine oder der andere, ja. Aber doch nicht alt! Die Fernsehwerbung zeigt uns täglich Senioren (lateinisch für „Ältere“), die herumspringen wie „junge Hüpfer“, der Pharma-Industrie sei Dank: faltenlos, sorgenfrei und jugendlich. Die Angst vor dem Alt-Sein ist wohl ein gutes Geschäft, für die Produzenten von „Mittelchen“.

Alt werden ist nichts für Feiglinge

Am Aschermittwoch erinnert in den katholischen Kirchen das Aschenkreuz die Menschen daran, dass sie sterblich sind: „Gedenke, o Mensch, dass du Staub bist und zum Staub wirst du zurückkehren!“ (Genesis 3,19).Asche aufs Haupt! Auf unsern Wahn der ewigen Jugend! Wir werden älter, von Tag zu Tag. Wir werden irgendwann nicht mehr alles können. Wir werden „immer weniger“ – und irgendwann „ist alles vorbei“. Wir sind sterblich.

 

 

 

 

Peter Schmalstieg ist Klinikseelsorger in Hanau, Foto: privat
Peter Schmalstieg ist Klinikseelsorger
in Hanau. Foto: privat

Tage wie Aschermittwoch oder Geburtstage, besonders die „runden“, erinnern uns daran. Sollten wir nicht jeden (Geburts-)Tag feiern, dass wir leben, welche guten Erfahrungen wir machen durften, was wir können, welche Freuden uns am Tag erwarten, wie viele Tage oder Jahre uns noch bleiben? Jugendliche, wirklich junge Leute, Firmlinge, besuchten im Rahmen eines praktischen Einsatzes schwerkranke und sterbende Menschen. Sie entdeckten: Diese Alten sind gar nicht „scheintot“, sie sind sehr lebendig, sie sind „Experten für das Leben“!

Nochmal jung sein?

Man hat alte Menschen gefragt, ob sie „nochmal zwanzig sein“ möchten. Kaum jemand wollte das. Dass es kein Zurück gibt, dass es so schön dann doch nicht war, jung zu sein, dass manche(!) jungen Menschen vielleicht sogar zu bedauern sind – diese Weisheit haben sich die meisten „Älteren“ mühsam und durch viele Erfahrungen erworben. Das ist ein Stück weit, was die „Würde des Alters“ ausmacht. Und das schönste daran ist: Im geduldigen Zuhören – der Alten auf die Jungen –, im Verständnis, im Gespräch lässt sich manches mit-teilen, was allein schwerer zu er-tragen wäre. Und solch gute Gespräche hinterlassen Spuren in dieser Welt, in den Menschen.
Wenn Sie alt sind – und nicht zu feige es zuzugeben –, dann seien Sie sicher: das Beste kommt zum Schluss! Wenn Sie – und ich – „zum Staub zurückkehren“ müssen, ist tatsächlich nicht „alles vorbei“. Der Todestag ist Ihr – und mein – Geburtstag in das neue Leben.
Alt werden ist nichts für Feiglinge. Ich wünsche Ihnen eine fröhliche Fastenzeit – und Mut, Ihr Alter mal ganz neu zu betrachten.

Peter Schmalstieg
Katholische Klinikseelsorge Hanau
Telefon 0 61 81 / 2 96 45 80
E-Mail: klinikseelsorge_rk@klinikum-hanau