01.06.2016
Katholikentag Leipzig
Seht, da ist der Katholik
„Gott sei Dank, dass wir es gewagt haben. Ich bin glücklich.“ Berlins Erzbischof Heiner Koch sagte das bereits zur Halbzeit des 100. Katholikentags in Leipzig. Und richtig: Das Treffen unter dem Leitwort „Seht, da ist der Mensch“ geriet bis zum Schluss eindrucksvoll, fröhlich und friedlich.
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Willkommen beim Katholikentag in Leipzig: Nachtgottesdienst in der Halle des Hauptbahnhofs. Foto: epd-bild |
Bedenken gegen Leipzig hatte es reichlich gegeben: eine Stadt mit kaum fünf Prozent Katholiken, in der man überdies heftig um den Milllionenzuschuss für die Veranstaltung stritt. Noch am Eröffnungstag schimpft der Cartoonist Ralf König in der „Leipziger Volkszeitung“: „Die Katholiken bilden nur eine größere Sekte, warum sollte man als Außenstehender deren Rituale bezuschussen?“
Dass Bürgermeister Burkhard Jung bei der Eröffnungsparty seiner Versicherung „Wir freuen uns!“ den Nachsatz „Glauben Sie es mir!“ hinterherschicken zu müssen glaubt, klingt nicht eben restlos überzeugend. Das Flair des Katholikentags „muss reinschwappen in die Stadt“, fügt Jung hinzu. Und siehe da: Es schwappt. Gleich am Mittwochabend, so empfindet es Leipzigs Propst Gregor Giele, „veränderte sich praktisch innerhalb von Minuten die Atmosphäre in der Stadt“ – die Leipziger hätten sich anstecken lassen von der „heiteren Gelassenheit“ der Gäste.
Fürs typische „Feeling“ sorgt die Eröffnung schon nach einer Viertelstunde, dürfen 10 000 Besucher doch ein Medley der Katholikentagshits mitsingen: „Wo Menschen sich vergessen“, „Unser Leben sei ein Fest“, „Jetzt ist die Zeit“. Dass Bundespräsident Joachim Gauck da ist und Papst Franziskus seine Videobotschaft auf Deutsch vorträgt, stärkt das Selbstwertgefühl. Es geht also gut los, und es geht gut weiter mit einem Fronleichnamsgottesdienst, der starke ökumenische Akzente setzt und dem keine Prozession folgt, sondern ein abendlicher Stationenweg bei Kerzenschein, der 12 000 in den Bann zieht.
Die politische Prominenz verliert an Anziehungskraft
Der Umgang mit den Flüchtlingen ist ein zentrales Thema – es ist kein kontroverses. Kardinal Reinhard Marx sagt beim Schlussgottesdienst: „Wenn jemand an unsere Grenzen kommt, wird er menschenwürdig behandelt, dann bekommt dieser Flüchtling ein faires Verfahren und niemand wird zurückgeschickt in eine Situation, in der Krieg und Verfolgung herrschen.“ Solche und ähnliche Sätze sind in Leipzig oft zu hören und finden zuverlässig Beifall.
Während die geistlichen Angebote viel Zulauf erfahren, haben es die Podien mit der Politprominenz schwer. Selbst der Bundespräsident füllt die Arena nur zur Hälfte; die gähnende Leere in der Halle bei einer Debatte mit Arbeitsministerin Andrea Nahles regt einen Reporter gar zur Umformulierung des Mottos an: „Seht, da ist kein Mensch“.
Mit 34 000 Dauerteilnehmern verzeichnet das Leipziger Treffen eine ähnliche Resonanz wie die vorigen. Dass die Zeit der jugendlichen Katholikentage vorerst vorbei ist, bestätigt sich; rund 30 Prozent sind unter 30, gut 40 Prozent über 50 Jahre alt.
Von Hubertus Büker