24.10.2012
Die ansteckende Begeisterung für Venedig
Verliebt in eine Stadt
Die Liebe zu einer Stadt: Bei Andreas Albert und Venedig ist es Leidenschaft. Der Gemeindereferent aus Oberbrechen in der Nähe von Limburg will die Schöne am Meer aber nicht für sich allein. Als Begleiter einer Leserreise der Kirchenzeitung steckt er andere mit seiner Venedig-Begeisterung an. Von Ruth Lehnen.
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Im Wassertaxi. Andreas Albert bewegt sich in seiner Lieblingsstadt aber auch im Vaporetto, in der Gondel oder zu Fuß. Foto: Ruth Lehnen |
Venedig – das kommt von Venus. Die Schaumgeborene stieg vor Zypern aus dem Meer, eine Göttin der Liebe und der Schönheit. Sie ist in die Jahre gekommen, die Schöne, aber Venedig vermag immer noch Menschen zu becircen, zu begeistern, zu binden. Wer von der Venedig-Sucht erfasst ist, muss immer wieder in die Stadt am Meer. So einer ist Andreas Albert. Seit ihn die Sucht erfasst hat, war er mehr als 30 Mal dort. Er hat viele durch die Stadt geleitet, als Reiseleiter bei dem Reiseunternehmen Tobit und jetzt bei einer Leserreise der Kirchenzeitung. Er hat Tausende Fotos seiner Lieblingsstadt gemacht, vertreibt in Eigenregie Venedig-Kalender und hat mit seinem Schwager ein Büchlein mit Fotos herausgegeben, das das Flair dieser Stadt einfängt und Leute zum Sehnen und zum Lächeln bringt.
Ist es das rosenfarbene Licht, sind es die Gondeln?
„Diese Stadt hat ein Geheimnis“, sagt er, und diesem Geheimnis ist er auf der Spur. Dabei will er entdecken, aber niemals das Geheimnis ganz enthüllen, das macht ja die Faszination dieser Stadt für ihn aus. Was ist es? Das rosenfarbene Licht des frühen Abends auf der Fassade von San Marco? Das Gleiten der Gondel durchs dunkle Wasser, lautlos, und auf einmal hört man aus einem offenen Fenster das Singen einer Frau? Mit dem Wasser hat die Faszination zu tun – am Wasser sei man dem Unterbewussten am nächsten, weiß der Venedig- Liebhaber.
Und dass Venedig zu kämpfen hat. Verfall, Nebel, Dunst und Hochwasser können traurig machen, Horden von Touristen setzen der Stadt zu, ausgespuckt aus Kreuzfahrtschiffen so groß wie Hochhäuser, die der Schönen ihr Geheimnis in wenigen Stunden entreißen wollen. Solche Leute machen Venedig zu einer Prostituierten. Andreas Albert dagegen hat sich für seine Liebe stets Zeit genommen. Das Schlendern, sagt er seinen Gruppen, sei die richtige Gangart für Venedig, und das sich Treiben lassen. Hier lockt der Eingang in einen Hof, dort eine unvermutete Aussicht aufs Wasser, um die Ecke eine Kirche, die sonst immer geschlossen war und jetzt offen steht...
Albert kann auch zuhause in Limburg im Geiste durch Venedigs Gassen gehen, er sieht jede Ecke vor sich. Er kennt Brücken, Kanäle, Schleichwege, Plätze, das beste Eis, die Läden mit den guten Nudeln, dem leckersten Gebäck, die Supermärkte genauso wie die Fischsorten auf dem Fischmarkt am Rialto, und seien sie noch so speziell wie Rochen oder die Seeheuschrecke; er weiß ihre Namen auf Italienisch und auf Deutsch.
Denn der Vater von fünf erwachsenen Kindern ist auch ein begeisterter Koch, demnächst wird er eine Reise ins kulinarische Venedig anbieten. „Dann wird aber Fisch gegessen!“ kündigt er an – und mit oh! und ah! erfreut er sich, wenn die Kellner im Restaurant San Trovaso – auch die kennt er alle beim Namen – das Essen auf den Tisch bringen.
Dem Commissario Brunetti stellt er den Ton ab
Zuhause, da kocht er selbst, auch für Gäste. Des Abends frönt er seiner Leidenschaft, liest Bücher über die Lagunenstadt – jetzt wurde das zweite Regal speziell für Venedig-Literatur nötig. Denn es gibt ja venezianische Geschichte, venezianische Kunst, venezianische Kirchen, Komponisten, Maler, Masken, Paläste, Gärten, Ausstellungen, und über all das gibt es auch Bücher und Internetseiten. Es gibt Historienromane und Krimis, zum Beispiel die Bestseller von Donna Leon. Wenn im Fernsehen die Filme mit Commissario Brunetti kommen, schaut Albert sie mit abgestelltem Ton und hört dazu Vivaldi: Die Krimihandlung interessiert ihn nicht, ihn interessieren die Schauplätze. Seine Lieblingskirche in Venedig ist Santa Maria Gloriosa dei Frari, genannt Frari-Kirche. Hier kann Albert Stunden verbringen, bei Tizians „Assunta“, der Himmelfahrt Mariens, die allerdings zur Zeit restauriert wird, und bei Giovanni Bellinis Madonna, die in einer Seitenkapelle thront, zu ihren Füßen kleine Engel.
Hierher kehrt er stets zurück, ebenso wie auf den Markusplatz, der mit seinen Menschenmassen, mit der Nähe zum glitzernden Wasser, mit dem Markusdom ein immer neues Schauspiel bietet, das er mit der Kamera einfängt. Sein Tipp, was den Gottesdienst betrifft, ist etwas für Frühaufsteher: Sonntags um 7 gehört der Markusdom noch den Betern, die um diese frühe Stunde vom Glanz der Goldmosaike und der aufgehenden Sonne verwöhnt werden. Nicht sein Fall sind dagegen die Palladio-Paläste, wie die von außen prächtige San Giorgio Maggiore auf der Klosterinsel, sie wirken kalt auf ihn.
Als Gemeindereferent und Familienvater hat Andreas Albert in 56 Lebensjahren viel erlebt und gesehen. Ihn interessieren vor allem die Menschen, nicht nur die Venezianer und die Reisenden, sondern auch die aus seiner Gemeinde. In der eigenen Familie hat er den größten Venedig-Freund gefunden, seinen Schwager, mit dem er schon bald wieder ans Wasser reist. Venedig ist für ihn auch im Herbst und Winter schön, zu jeder Jahreszeit, immer.
Tipp: Einblicke
Mit seinem Schwager hat Andreas Albert ein kleines Buch zu Venedig herausgegeben, zum sich selber Schenken oder Verschenken, mit schönen Fotos und sehnsuchtsvollen Texten.
Andreas Albert/Christopher Weber: „Einblicke – Venedig“,
Verlag werkdruckEDITION, Bad Camberg, 12 Euro,
Telefonische Bestellung: 06431 / 282 774,
im Internet: www.venedig-einblicke.de