01.07.2016

Flüchtlinge in Deutschland

Von Ärzten und Technikern

Es kommen viele Flüchtlinge ohne Schulabschluss oder Ausbildung nach Deutschland. Und doch können sie der Bundesrepublik weiterhelfen.

Nicht immer sind es Ärtze und Akademiker, die nach Deutschland kommen. Aber auch geringqualifizierte, junge Flüchtlinge können in Deutschland Arbeit finden. Foto: kna-bild

Ja, auch syrische Ärzte kommen. Von rund 53.500 Flüchtlingen aus den vier Hauptherkunftsländern Syrien, Eritrea, Irak und Afghanistan, die im vergangenen März sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren, waren rund 1.800 Menschen in akademischen Gesundheitsberufen tätig. Fast die Hälfte dieser Flüchtlinge arbeitete allerdings in Helferberufen mit geringer oder keiner Qualifikation. Das ist ein Ergebnis des Integrationsmonitors, das die Initiative Neue soziale Marktwirtschaft (INSM) am Donnerstag in Berlin vorstellte. Erstellt wurde er vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln (IW).

Schlussfolgerung der Experten: Es kommen zwar viele Asylbewerber ohne schulischen Abschluss und ohne Ausbildung nach Deutschland. Dafür kommen sie aus der Altersgruppe, die hier durch den demografischen Wandel zunehmend geschrumpft sei: die unter 30-Jährigen. Es seien in erster Linie Männer, die bereit seien zu lernen und sich etwa als Techniker zu qualifizieren, so INSM-Geschäftsführer Hubertus Pellengahr. Deshalb müssten weitere Hürden abgebaut werden, die ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt erschwerten.

So sollte die Politik die Vorrangprüfung abschaffen und das Zeitarbeitsverbot vollständig aufheben. Diese Maßnahmen seien völlig "aus der Zeit gefallen" und behinderten eine gute Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt, so Pellengahr. Flüchtlingen so schnell wie möglich Arbeit zu verschaffen, sei sowohl aus humanitärer als auch aus wirtschaftlicher Perspektive wichtig, so Pellengahr weiter. Das Integrationsgesetz sei ein erster Schritt, es müsse aber nachgebessert werden.

 

Leichterer Zugang zu Integrationskursen

In dieselbe Richtung zielen die Vorschläge des Zuwanderungsexperten vom IW, Axel Plünnecke. Er sprach sich weiter dafür aus, dass alle Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive der Besuch eines Integrationskurses ermöglicht werden solle. Mangelnde Sprachkenntnisse seien ein hohes Einstellungshemmnis. Zudem müssten die Asylverfahren beschleunigt werden. Auch die geplante Wohnsitzauflage bewertete er kritisch, da sie den Flüchtlingen keine Mobilität ermögliche.

Es sei Zeit zu handeln, so Plünnecke, denn immer mehr Flüchtlinge drängten auf den Arbeitsmarkt. Mit der steigenden Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sei auch die Zahl der arbeitslosen Flüchtlinge aus den vier Hauptherkunftsländern gestiegen. Waren laut Monitor im Januar 2014 rund 33.800 ohne Arbeit, stieg ihre Zahl auf 123.500 im März 2015.

Dabei gibt es vor allem bei den größeren Unternehmen durchaus eine Bereitschaft, Flüchtlinge einzustellen. Das Institut befragte dazu insgesamt 540 Unternehmen. Jedes Dritte mit mindestens 250 Beschäftigten konnte sich eine solche Beschäftigung vorstellen. Und noch etwas stimmt die Experten optimistisch: Die Bereitschaft sei umso größer gewesen, je mehr Erfahrungen die Unternehmen mit Flüchtlingen gehabt hätten. Auf vergleichsweise wenig Zustimmung stießen die Experten bei kleinen Unternehmen.

 

Gute Deutschkenntnisse wichtig für Unternehmen

Unisono wünschten sich die Unternehmen gute Deutschkenntnisse; schlechte würden sie von einer Einstellung abhalten. Unzureichende fachliche Qualifikationen und fehlende Informationen über das Qualifikationsniveau der Flüchtlinge folgen danach auf Rang zwei und drei der Einstellungshürden.

Auf keinen Fall dürften die Fehler der 90er Jahre wiederholt werden, warnen die Experten: Damals hätten viele gesetzliche Regelungen Flüchtlinge und Zuwanderer abgeschreckt - und eine Integration in den Arbeitsmarkt erschwert oder sogar unmöglich gemacht, so Plünnecke. Zwar sei es zunächst eine humanitäre Pflicht, Menschen aus Kriegsgebieten zu helfen. Ein Arbeitsplatz helfe aber auch den Flüchtlingen, hier eine neue Heimat zu finden. Und auch wenn sich etwa Syrer entschlössen, irgendwann wieder nach Syrien zu gehen, sei mit ihrer Qualifizierung ein wichtiger Beitrag zur Entwicklungshilfe geschehen.

kna