24.08.2016

Barmherzigkeit auf dem Alten Friedhof in Fulda – ein Rundgang

Wohltäterin ruht unweit des Scharfrichters

Die Bitte nach Barmherzigkeit beim Jüngsten Gericht findet sich auf Grabsteinen. Ebenso das Lob auf den Verstorbenen als „wahren Vater der Armen“. Einsichten aus einem Besuch des Alten Friedhofs in Fulda. Von Hans-Joachim Stoehr

Baum und Stein – Alter Friedhof in Fulda

„Selig die Barmherzigen.“ Dieser Vers aus dem fünften Kapitel des Matthäusevangeliums ist in einen Grabstein auf dem Alten Friedhof in Fulda eingraviert. Nicht der einzige Hinweis auf Barmherzigkeit in dieser alten Gräberanlage. Auf dem Familiengrab der Arztfamilie Schneider findet sich der Satz aus dem letzten Kapitel des Matthäusevangelium: „Was ihr dem Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“

Barmherzigkeit wird aber nicht nur mit Blick auf das Leben der Gestorbenen in Stein gemeißelt. In der Nähe der Friedhofskapelle findet sich gleich dreimal der Satz „Mein Jesus Gerechtigkeit!“ Da bitten die Nachfahren den Weltenrichter um ein barmherziges Urteil für den an dieser Stelle begrabenen Menschen.

Aus Henkermeister wurde Wundarzt
Einer, der einem eher „unbarmherzigen“ Beruf nachging, war Johann Konrad Lucas. Er war der letzte  Scharfrichter  in   Fulda.   Diese    Aufgabe    lag    seit    dem      16. Jahrhundert bei seiner Familie. Zudem war er als sogenannter Wasenmeister für die Entsorgung der Tierkadaver zuständig. Nach der letzten Hinrichtung war der Henkermeister als Wundarzt tätig.

Auf den Friedhöfen sind Standesunterschiede aufgehoben. Zumindest, was die benachbarten Grabstätten betrifft. Da ruht ein Postmeister neben dem Doppelgrab des Fürsten Friedrich Wilhelm von Hanau und dessen Frau Ludovica. Allerdings zeigen die Grabsteine oft auch, wer da beerdigt ist. Die größten Grabmonumente nehmen die Ruhestätten von Fabrikbesitzern ein. Da erreichen die Grabsteine über zwei Meter Höhe. Allerdings gilt auch hier: Vor dem letzten Gericht gelten nicht weltliche Maßstäbe. Da ist nicht das Vermögen des  Menschen gefragt, sondern eher das, was er damit für Andere getan hat. Oder für den Fabrikbesitzer: Wie hat er seine Mitarbeiter behandelt?

Grad einmal einen halben Meter hoch ragt ein Grabstein in der Mitte der alten Friedhofsanlage auf. Es ist die Ruhestätte eines Mädchens,    das    im    Alter    von 15 Jahren gestorben ist. So ist es dem Grabstein zu entnehmen.

Er war durchdrungen von Gerechtigkeitsgefühlen
Margarethe Nenzel, die Witwe des Lohgerbermeisters Georg Adam Nenzel, beschreibt ihren Ehemann auf dem Grabstein mit diesen Worten: „Sein ganzes Leben hindurch war er stets durchdrungen von Gerechtigkeitsgefühlen und immer ein wahrer Vater der Armen.“

Eine „Mutter“ für Menschen, die unterstützt werden müssen, war die Fuldaerin Maria Rang. Die wohl bedeutendste Stifterin von sozialen Einrichtungen in Fulda ist mit ihrem Mann Ignaz auf dem Friedhof begraben. Sie  gründete 1888 das Siechenhaus St. Lioba, heute das gleichnamige Altenheim, und 1904 das Antoniusheim, bis heute Zentrum für Menschen mit Behinderung.

Den Inschriften auf den Grabsteinen ist auch zu entnehmen, welche Berufe die Toten ausgeübt haben. Da sind Justizrat, Medizinalrat oder Sanitätsrat ebenso aufgeführt wie der Obertelegraphensekretär oder militärische Ränge wie Leutnant, Oberst und Flügeladjutant. Und dann sind da Berufe wie Kaufmann und Wirt oder Handwerker wie Metzger, Bäcker oder Bildhauer.

Einige der alten Gräber auf der Grünanlage sind mit frischen Blumen geschmückt. Beispielsweise die letzte Ruhestätte von Johann Mollenhauer. Er war Hof-Instrumentenmacher, wie dem Grabstein zu entnehmen ist. Seine Nachfahren stellen bis heute in Fulda Blockflöten her.