26.05.2023

Pfingsten

Ein Hoch auf die Beweglichkeit

Der Heilige Geist hat die Jüngerinnen und Jünger Jesu dazu ermutigt, Traditionen zu hinterfragen. Auch heute erinnert uns Pfingsten daran, dass Flexibilität und Veränderungsbereitschaft Kennzeichen der Christen sind.

Frischer Wind durch den Heiligen Geist: Darstellung einer Friedenstaube in der Herz-Jesu-Kathedrale in Skopje. Foto: kna/Harald Oppitz

Von Susanne Haverkamp

Kürzlich hatten wir für die Sonntagsmesse in unserer Gemeinde eine Vertretung. Ruhestandspastor, Mitte 80 schon überschritten. Flotten Schritts kam er mit den Messdienerinnen und Messdienern aus der Sakristei, die Kniebeuge ließ so manch meniskusgeplagten Jogger Mitte 50 vor Neid erblassen. 

In der Predigt sprach er davon, dass auch in der Kirche nicht immer alles so bleiben müsse, wie es immer war; dass manche Tradition des 19. Jahrhunderts zwar schön und wertvoll ist, aber dass die Zeit eben weitergeht und der Heilige Geist eben weiterweht –  und er meinte damit ausdrücklich auch die Anliegen des Synodalen Weges. Am Ende waren wir uns auf dem Kirchplatz alle einig: Welche Beweglichkeit! In diesem Alter! Körperlich und geistig!

Beweglichkeit: Eigentlich müsste das  eine der Haupteigenschaften der Christen sein. Denn schließlich glauben wir an einen dreifaltigen Gott, an einen, der in sich beweglich ist, der eben nicht statisch in sich ruht, sondern flexibel ist, kommunikativ, überraschend. 

Vater, Sohn und Heiliger Geist: Jeder Vater, der sich gelegentlich mit seinem Sohn auseinandersetzt, weiß, was das heißt. Statik, Unbelehrbarkeit, das Beharren auf „So war es schon immer ...“  führen da nicht weiter; im Gegenteil wächst der Vater an den Erfahrungen und Kenntnissen des Sohnes. Mütter und Töchter sind in diesem Fall übrigens mitgemeint.

Und dazu noch der Heilige Geist, der jetzt am Pfingstfest ins Rampenlicht rückt. Der die im Gebet zusammenhockenden Jüngerinnen und Jünger Jesu – Türen fest verrammelt – auf die Straße treibt. Der sie später dazu ermutigt, die eherne Tradition der Beschneidung zu hinterfragen, der Speisegesetze, der Opferriten. Was für ein Schritt für gläubige Juden wie Petrus oder Jakobus! Welche unfassbare Beweglichkeit! Im Vergleich dazu ist etwa die Frage „Zölibat Ja oder Nein?“ eine spitzfindige Kleinigkeit.


Philosophien wurden problemlos integriert

Und auch später war der christliche Glaube beweglich. Griechische und römische Philosophien wurden genauso problemlos integriert wie heidnische Sonnwendfeiern oder germanische Frühlingsbräuche. Erst mit der Reformationszeit war Schluss mit dem freigeistigen Denken, der Heilige Geist wurde gezähmt, die Dynamik verebbte zwischen Canones und Katechismen, Denk- und Sprechverboten.

Aber kaputtzukriegen ist der Heilige Geist nicht. Jedes Pfingstfest erinnert daran, dass Beweglichkeit ein Kennzeichen der Christen ist. Zugegeben: Zu viel Beweglichkeit kann auch wabbelig werden, zu starker Sturm kann Zerstörung hinterlassen. Aber warum diese Angst? Jesus hat den Heiligen Geist schließlich als kraftvollen Beistand versprochen, nicht als zaudernden Warner.

Bleibt die Frage, warum es so schwierig ist mit der Beweglichkeit. Vielleicht ja deshalb, weil wir sie lange nicht trainiert haben, weil wir es uns gemütlich gemacht haben auf dem Sofa der Traditionen, weil Beine hochlegen bequemer ist als loslaufen. Und vielleicht ist der momentane Streit in der Kirche ja auch nicht mehr als Muskelkater, der vergeht, wenn man fitter wird. Und beweglicher.