22.12.2020

Jahresserie 2020: Hoffnungsgeschichten

Ein Kind ist uns geboren

Heute noch ein Kind in diese Welt setzen? Ist das nicht verantwortlungslos – bei all den Problemen von Klimawandel bis Pandemie? Fünf Bekenntnisse setzen ein Hoffnungszeichen dagegen: Ja, diese Welt braucht Kinder, wenn sie besser werden soll. Die letzte Folge unserer Jahresserie „Hoffnungsgeschichten“.

„Noch nie eine so gute Entscheidung getroffen“

Zwei sind mindestens einer oder eine zu wenig. Da waren wir uns als Paar ziemlich schnell einig. Wir sind seit über elf Jahren Eltern einer Tochter. 

Aber so ganz ohne Grübeln lief es damals nicht ab. Die Zeit vor der Geburt bereitete mich auf die ersten Monate und Jahre mit Baby vor: Ich hatte schon in der Schwangerschaft schlaflose Nächte! 

Detailliert malte ich mir aus, welche Schwierigkeiten auf mein Kind im Laufe seines Lebens zukommen würden – und damals war noch keine Rede von Corona, der Klimawandel schien händelbar und islamistischer und rechter Terror waren weit weg. 

Mir reichte es auch so: Ich fürchtete eine schwere Geburt, Kinderkrankheiten, Armbrüche beim Klettern, Schulprobleme, Teenagerschwangerschaft … Meine Phantasie ließ mich nachts um halb drei schweißgebadet vor dem Süßigkeitenschrank landen und Lakritzschnecken futtern. Nicht gesund, aber Mutter und Kind sind immer noch wohlauf. 

Heute bin ich … nein, nicht „der Großvater“, wie in der alten Bonbonwerbung. Sondern die Mama. Und ich bin davon überzeugt, dass wir noch nie eine so gute und richtige Entscheidung getroffen haben wie die, ein Kind zu wollen. 

Weil es das Einzige ist, das wir hinterlassen, das wirklich etwas bewegen kann. Kein gut erledigter Job, kein gebautes Haus, kein Kunstwerk, sentimentales Lied oder tiefschürfendes Buch kann die Welt so sehr verändern, wie ein Mensch es kann. 

Mit meinem Kind kommt Hoffnung in die Welt: Dass da jemand ist, der schon als Einzelner alles anders und mit Leichtigkeit besser machen kann als wir Eltern. Und um wie viel mehr als Teil einer Generation, die sich interessiert, engagiert und aktiv wird. 

Verstehen Sie mich nicht falsch: Mein Kind ist weit davon entfernt, eine „Greta“ zu sein. Aber das muss sie auch gar nicht – es reicht, wenn sie einfach sie selbst bleibt. 

… Kinderkrankheiten und Armbrüche beim Klettern haben wir übrigens durch. 

Daniela Kleideiter

 

„Hoffnung und Herausforderung zugleich“

 

Unvergleichlich: die Geburten unserer Kinder. Sie haben sich in meine Erinnerung eingebrannt. In diesen Momenten stand die Welt um uns herum still. Ein Wunder. Jeder einzelne Charakter: von Anfang an eine Hoffnungsgeschichte, die – so wünscht man sich als Eltern – gut weiter geht. Dabei: jede(r) so unterschiedlich, die Fähigkeiten, die sich im Laufe der Zeit auftun, so erstaunlich. 

Dass mein Mann und ich eine Familie haben wollten, war für uns klar. Als sich Nummer vier ankündigte, wurden wir gefragt, ob „das“ geplant oder ein „Unfall“ gewesen sei. Wenn wir heute mit unseren fünf Kindern zwischen vier und 13 Jahren irgendwo auftauchen, zählen nicht wenige Leute ungeniert durch, bei vielen landen wir in der „asozialen“ Schublade. Angesichts so vieler Esser wird man nirgends freiwillig eingeladen, ist vielen Ein- und Zweikind-Bilderbuchfamilien suspekt, gesellschaftlich wird Kinderreichtum häufig mit finanzieller Armut gleichgesetzt. 

Im Alltag entpuppt sich jedes Kind zu einem „Überraschungsei“, sorgt für seine ganz eigene Dynamik. Und wir Eltern? Gehen mit, begleiten. Erfreuen uns, ärgern uns, sorgen uns. Mitten in dem bunten Leben, in dem wir als Großfamilie stecken. Das voll ist an chronischer Zeitnot, das – fast pausenlos – Kraft und Nerven kostet. In dem wir oft flexibel reagieren müssen, wo es darum geht, viele Bedürfnisse gleichzeitig zu stillen. 

Wegbegleiter sein dürfen: größtes Geschenk, größte Herausforderung. Ohne Hoffnung undenkbar, zum Scheitern verurteilt.

Ulrike Schwerdtfeger

 

 

„Eine höchst persönliche Entscheidung“

Natürlich wollte ich Kinder. Immer! Die Frage nach dem Warum hab’ ich mir nie gestellt, und ich war stets irritiert, wenn ich Menschen argumentieren hörte: „In diese Welt kann man doch keine Kinder setzen!“ 

Natürlich ist diese Entscheidung eine höchst persönliche. Aber die Menschheit wäre längst ausgestorben, hätten Menschen wegen „schlechter Zeiten“ entschieden, keinen Nachwuchs mehr zu bekommen. Natürlich haben auch wir heute Probleme, große sogar. Und tatsächlich frage ich mich in manchen verzagten Momenten bisweilen selbst: In welche Welt habe ich meine drei Kinder da gesetzt? Welche Zukunft muten wir Erwachsenen ihnen zu? 

Aber dann sehe ich, wie sie aufbegehren. Im positiven Sinn. Wie sie dabei sind, diese Welt zu einem besseren Ort zu machen. Vom ganz Kleinen an. Für eine bessere Zukunft, eine bessere Gesellschaft. Solidarisch, empathisch, engagiert. Energisch, aber nicht verbissen. 

Nicht nur meine Kinder, sondern so viele andere auch. Zum Glück. Sie stecken damit auch andere an. Meine Generation. Die ihrer Großeltern. 

Sie sind toll. Und machen Mut. Und, ja: Hoffnung. 

Ich finde: gerade in diese Welt kann man Kinder setzen. Sonst wäre sie ein trauriger Ort. In jeder Hinsicht. 

Jutta Kalbhenn

 

 

„Es braucht auch Gottvertrauen“

Klimawandel, Antibiotikaresistenzen, Insektensterben, die Zukunft hält viele Herausforderungen bereit, die unsere Kräfte zu übersteigen scheinen. Ist es denn nicht eher egoistisch, dass wir unseren Söhnen Lukas (5) und Simon (3) so ein Leben zumuten? Allerdings ist es für mich keine Option, keine Kinder zu bekommen. Jede Generation hatte mit Krisen zu kämpfen. Manche waren bedrohlicher als heute. So düs-ter kann ich die Zukunft einfach nicht sehen, dass es nicht möglich sein sollte, Kinder zu bekommen. Das würde bedeuten, dass es kein Lachen, keine Liebe und Freude mehr geben würde. Wenn wir nicht mehr daran glauben würden, dann wäre all unser Handeln, Denken und Tun jetzt vergeblich. Dann könnten auch wir schon aufhören zu leben. Wir haben ja noch die Chance, Dinge zu ändern.

Wenn wir uns unsere Kinder anschauen, dann sehen wir vor allem diese große Verantwortung. Sie vertrauen uns, dass wir ihnen Gutes wollen. Es ist unsere Aufgabe, uns für eine gute Zukunft für sie einzusetzen, sonst zeigen sie später mit dem Finger auf uns. Sie sind wirklich Hoffnungslichter, denn sie zeigen, dass ich daran glaube, dass wir es schaffen können, eine gute Zukunft zu bereiten. Es ist nun auch an uns, ihnen Werte beizubringen, die dafür wichtig sind, wie die Natur zu achten, auf Schwächere Rücksicht nehmen, auch mal zu verzichten. Damit sie gerüstet sind. 

Um mit der Familie in diese unsichere Zukunft zu gehen, braucht es auch Gottvertrauen, einen Glauben daran, dass er uns hilft und leitet und es auch gut mit uns meint.

Theresa Breinlich

 

 

„Für niemanden gibt es Risikofreiheit“

Unsere drei Kinder erblickten in den 1990-er Jahre das Licht der Welt. Nach dem Fall der Mauer war weniger Krisen- und mehr Aufbruchsstimmung angesagt. Aber bei unserer Familiengründung spielte das großpolitische Klima keine Rolle, eher die persönlichen Verhältnisse: Wie sieht es denn aus mit dem Job? Und haben wir ein ausreichendes Einkommen? 

Generell sind Kinder wie das ganze Leben ein Wagnis. Krankheiten, Unfälle, Arbeitslosigkeit oder ein plötzlicher Tod – für niemanden gibt es Risikofreiheit. Wir Menschen leben unter nicht einfachen Rahmenbedingungen – und das lässt mich am lieben Gott oft zweifeln. Umso mehr hoffe ich darauf, dass er irgendwann dieses große Fragezeichen auflöst. 

Aber jetzt nur noch auf Gefahren gucken, auf beängstigende Szenarien wie die Pandemie oder den Klimawandel? Bei aller Verletzlichkeit unseres Daseins bin ich dann doch Optimist – habe ich die Hoffnung, dass alles irgendwie gut abgeht und sich (ungeahnte) Perspektiven auftun. Auch für den Nachwuchs. 

Als „familiy“ können wir momentan jedenfalls dankbar sein: Ausgerechnet im Corona-Jahr laufen alle drei Kids über die Ziellinie ihrer Ausbildung. So paradox ist die Welt, aber bei uns herrscht gerade weniger Katerstimmung. Klar: Die Familie ist nicht die reine heile Welt – und oft bricht sie auseinander. Kinder können nerven und machen Stress. Eltern oft noch mehr. Turbulenzen gehören zum Familienalltag. Da wird es uns aber auch nie langweilig. Wir ringen miteinander, aber auch füreinander. Und das hilft auch, Krisen zu überstehen. 

Andreas Otto

 

 

 

Jahresserie 2020 macht Hoffnung

Ein ganzes Jahr lang hat die Kirchenzeitung mit dieser Jahresserie Hoffnungsgeschichten erzählt. Geschichten, die Mut machen wollen in einer aufgeheizten Welt, die dem fragenden Zweifeln ein trotziges Ausrufezeichen entgegensetzen. 

Dieses Mal erzählen zum Abschluss frühere Volontärinnen und Redakteure der Kirchenzeitung, warum ihre Kinder für sie ein Zeichen der Hoffnung sind. Ein weihnachtlicher Abschluss. (job)