11.10.2017
Nie wieder Bruderkrieg
Die Spannungen zwischen den USA und Nordkorea sind hierzulande Dauerthema in den Nachrichten. Pfarrer Erich Nussbickel, Priester des Bistums Mainz, sitzt „zwischen den Fronten“. Der 86-Jährige lebt in Südkorea und ist hoffnungsvoll.Von Anja Weiffen
Sie suchen die Gräber ihrer Ahnen auf. Die Menschen aus den Großstädten fahren dazu in ihre Heimat. Das ist Tradition zum Herbstmondfest in Südkorea. Pfarrer Erich Nussbickel fährt dazu aus seiner Wahlheimatstadt Jeonju in die Abtei Waegwan, in ein Kloster der Missionsbenediktiner. Dort sind zwei deutsche Priester auf der Krankenstation. „Mit ihnen und den koreanischen Mönchen verbringe ich dort diese Woche. Wir gehen auch zum Friedhof und besuchen die Gräber unserer verstorbenen Mitbrüder“, schreibt Pfarrer Nussbickel.
Bereit, im Ernstfall nach Nordkorea zu fahren
Während viele Menschen in Europa und in den USA den Ausbruch eines dritten Weltkriegs in Korea befürchten, feiern die Menschen in Südkorea den Herbstmond. Auf Anfrage der Redaktion schildert Erich Nussbickel, Priester aus dem Bistum Mainz, per E-Mail die Lage in seiner Wahlheimat: „Seit mehr als 50 Jahren lebe ich nun in Südkorea und habe unter verschiedenen Regierungen große Spannungen, aber auch freundliche Zeiten in den Beziehungen zum Norden erlebt. Ich bin sehr froh, dass unter dem jetzigen Präsidenten Mun Jae-in die Hoffnungen auf bessere Beziehungen zu Nordkorea wieder zugenommen haben.“ Auf die Frage, wie die Leute auf die Spannungen zwischen Nordkorea und USA reagieren, sagt der Pfarrer: „Ich habe eigentlich niemanden gehört, der mit einem Kriegsausbruch zwischen Nord- und Südkorea rechnet.“
Viele Menschen in Südkorea setzten ihre Hoffnungen auf den Präsidenten, 70 Prozent der Bevölkerung stünden hinter ihm, weiß Nussbickel. „Präsident Mun sagte schon bei seiner Wahlkampagne, dass er im Ernstfall bereit sei, nach Nordkorea zu fahren und direkt mit Kim Jong-un zu sprechen. Muns Eltern waren am Ende des Koreakriegs 1954 aus Nordkorea mit vielen anderen Flüchtlingen nach Südkorea geflüchtet. Deshalb hat er eine besondere Beziehung zu Nordkorea.“ Erich Nussbickel fährt fort: „Nach dem Koreakrieg wurde das Kriegserklärungsrecht auf die USA übertragen. Unsere jetzige Regierung verlangt aber, dass Südkorea selbst und nicht die USA über einen Krieg mit Nordkorea entscheiden darf.“ Präsident Donald Trump sei dagegen und drohe Südkorea mit Einschränkungen im freien Handelsabkommen zwischen den USA und Südkorea. Präsident Mun habe erwidert, dass Korea genug Leid mit einem Bruderkrieg (1950 bis 1954) erlitten habe. Es dürfe auf keinen Fall wieder zu einem solchen Desaster kommen. Zudem würde die ganze Weltgemeinschaft mit hineingerissen.
In circa 30 Kilometer Entfernung von der Abtei Waegwan, wohin Erich Nussbickel zum Herbstmondfest gefahren ist, wurde im Frühjahr trotz heftiger Proteste der Bevölkerung eine Raketen-Abwehr-Anlage eingerichtet. „Das war in den letzten Tagen der Regierung von Präsidentin Park Geun-hye. Mun wollte dies rückgängig machen, was leider nicht mehr möglich war. Diese Anlage soll Raketen aus Nordkorea vom Flug in die USA abhalten. Also zum Schutz der USA, aber zur Gefahr für Südkorea. Die Proteste dauern immer noch an.“
Präsident ist aktiver Katholik
„Wenn ich so die Lage sehe, ist wirklich Präsident Mun unsere große Hoffnung“, schreibt Erich Nussbickel in seiner E-Mail. „Mun ist ein aktiver Katholik und lebt aus seinem Glauben.“
Der Pfarrer im Ruhestand erzählt, dass ein koreanischer Mitbruder und guter Freund mit dem Finger zum Himmel gedeutet und auf seine Frage, ob er einen Krieg fürchte, geantwortet habe: „Der Himmel macht es schon richtig.“ Das sei auch die Hoffnung der meisten Koreaner: „Keine Sorge, der Himmel macht’s schon richtig.“
ZUR PERSON
Seit mehr als 50 Jahren in Südkorea
I Foto: privat
Im Juli dieses Jahres feierte Erich Nussbickel, Pfarrer im Ruhestand, sein diamantenes Priesterjubiläum. Seit 60 Jahren ist er Priester, mehr als 50 davon hat er in Korea verbracht.
Nach seiner Weihe und Kaplansjahren in Sprendlingen, Ruhlkirchen, Jügesheim und Dudenhofen ging der Mainzer Diözesanpriester in die Mission nach Korea. Seine Tätigkeit in einer Pfarrei dort sei schon einige Jahre her, schreibt der 86-Jährige, „hier in Korea gibt es noch im Verhältnis zu Deutschland genug jüngere, einheimische Priester“. Allerdings gehe der Trend seit ein paar Jahren abwärts. „Meine Hauptbeschäftigung in den letzten Jahren dreht sich um die Betreuung meiner verbliebenen zwei deutschen und eines belgischen Mitbruders, die alle sehr krank sind.“ Außerdem helfe er einem 25 Jahre jüngeren koreanischen Mitbruder, der neben seiner Pfarrei in zwei Heimen Menschen mit geistiger Behinderung betreut. Dazu hilft Pfarrer Nussbickel noch in einem Altersheim, das von koreanischen Schwes-
tern geleitet wird. Pfarrer Nussbickel wohnt in der Stadt Jeonju, im Südwesten Südkoreas. Die Stadt hat circa 800 000 Einwohner. (red)