21.04.2023

Nach der Missbrauchsstudie im Bistum Mainz

Pläne zur Aufarbeitung im St. Josephshaus

Was passiert nach der Missbrauchsstudie im Bistum Mainz? Als eine der ersten Institutionen ging das St. Josephshaus mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit. In der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung gibt es konkrete Pläne zur Aufarbeitung. Von Anja Weiffen


 

„Mit den Tätern sprechen – diesen Wunsch habe ich in Gesprächen mit Betroffenen als ein Grundanliegen wahrgenommen“, sagt Thomas Domnick. Seit 2019 ist er Vorsitzender des Vorstands des eingetragenen Vereins Theresien Kinder- und Jugendhilfezentrum und St. Josephshaus.
Von 1945 bis in die 1970-er Jahre gab es im St. Josephshaus in Klein-Zimmern schwere Fälle von Misshandlung und sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen, auch in den Jahrzehnten danach gab es Fälle, in jüngerer Zeit Grenzverletzungen. Die Taten waren schon vor der bistumsweiten Missbrauchsstudie EVV („Erfahren. Verstehen. Vorsorgen“) bekannt, die Kenntnisse darüber flossen in die EVV-Ergebnisse ein. Als eine der ersten Einrichtungen im Bistum wandte sich das Kinder- und Jugendheim drei Wochen nach Veröffentlichung der EVV-Studie in einer Pressemitteilung an die Öffentlichkeit. Damit verbunden war ein Aufruf an Betroffene, sich zu melden. „Bisher hat darauf niemand geantwortet“, sagt Domnick. Vor drei Jahren jedoch meldeten sich einige Betroffene, die Gewalt im St. Josephshaus erlitten hatten. Ihr Anliegen, mit den Tätern zu sprechen, konnte bisher nicht erfüllt werden. „Entweder waren die Täter schon gestorben oder diese verweigern ein Gespräch“, weiß der Einrichtungsleiter. „In dieser Hinsicht wird etwas offen bleiben.“
Seit 2013, nach Änderung der Trägerstrukturen der Einrichtung, hat es keine Anträge auf Entschädigung beziehungsweise auf Zahlungen in Anerkennung des Leids gegeben, sagt Thomas Domnick. Vor 2013, als das
St. Josephshaus noch vom Bistum verwaltet wurde, könnte es Zahlungen gegeben haben. „Aber da solche Verfahren anonym ablaufen, wissen wir nichts darüber.“
Wie will das St. Josephshaus nach der EVV-Studie weiter vorgehen? Eine Kommission, auch mit externen Vertretern, soll die Vergangenheit des Heims aufarbeiten. Ein Tag ist geplant, der Interessierten Einblicke in die Arbeit der Jugendhilfe geben soll. Thomas Domnick will vor allem eine Kultur der Offenheit und Transparenz fördern. „Dass zum Beispiel Mitarbeitende ungute, vielleicht schambesetzte Gefühle frühzeitig äußern, dass sie einander mehr über ihre Arbeitsweisen und Entscheidungskriterien mitteilen.“ Als zentral sieht er den Umgang mit Macht. „Im Heim-Kontext ist das generell ein Thema.“ Auch der Frage, warum damals Mitarbeitende mit Problemanzeigen bei den Bistumsverantwortlichen nicht durchkamen, will er im Gespräch mit älteren und ehemaligen Kolleginnen und Kollegen nachgehen. Einen jährlich stattfindenden Fachtag für Kinder- und Jugendschutz rund um den Weltkindertag im September kann sich Thomas Domnick als Teil einer Erinnerungskultur vorstellen.

Von Anja Weiffen