06.06.2015
Kommentar
Chance für neue Formen
Von Roland Juchem
Wenn eine der heutigen Großpfarreien eine ihrer Kirchen zu einer sogenannten „Familienkirche“ macht: Ist das nun gut oder nicht? Vor allem – für wen?
Klar ist das gut, sagen die einen. Denn hier trifft sich doch die Kirche der Zukunft; hier ist Leben. Die jungen Familien, die hier lebendige Gottesdienste und Gemeinschaft erleben, die werden auch weiterhin zur Gemeinde gehören wollen. In den anderen Kirchen, in denen die Haare der Gottesdienstteilnehmer immer weißer und weniger werden – so mag zumindest mancher im Stillen denken –, werden die Zahlen eben weniger. Auch wenn das natürlich schade ist.
Nein, eine solche Extrawurst Familienkirche ist nicht gut, halten andere dagegen. Entweder, weil ihnen ihre bisherige Gemeidekirche weggenommen wird und sie nun für normale Messen anderswo hinfahren müssen. Oder weil sie befürchten, ihr eigener Kirchort werde von der Zukunft abgekoppelt.
In meiner Pfarrei mit ihren drei Kirchen stand die Überlegung einer solche Familienkirche ebenfalls im Raum. Dem Pfarrgemeinderat war dies Anlass, die Gemeinde zu befragen – unter anderem zu Gottesdienstteilnahme, Zeiten, Orten, Atmosphäre. Das Ergebnis ließ keine eindeutigen Schlüsse zu. Warum Menschen am Wochenende zur Messe in eine bestimmte Kirche gehen oder nicht, das machen sie an verschiedenen Faktoren fest: Entfernung, Uhrzeit, Freunde und Bekannte, die sie treffen, persönliche Tradition – zum Teil auch am Kirchenraum.
Wie immer die Verantwortlichen einer Pfarrei nun entscheiden, sie werden es natürlich nicht allen recht machen können. Was nicht heißt, dass sie Meinung und Erfahrung von Mehrheiten in der Gemeinde ignorieren könnten. Wichtig sind drei Dinge: 1. eine Entscheidung treffen, 2. darüber klar und verständlich informieren und 3. veränderte Angebote gut gestalten und durchhalten.
Ist das Werk gut, wird es sich herumsprechen. Andere werden sich überzeugen lassen: ob alteingesessene Gemeindemitglieder oder bislang eher Distanzierte. Da sich Lebensgewohnheiten und persönliche Beziehung zu Gott und Kirche ohnehin weiter differenzieren, ist es auch gut, unterschiedlichen Formen von Glaube und Gemeinschaft eine Chance zu geben. Wo Gottes Geist weht, wird er der Sache langes Leben einhauchen.
Vergessen dürfen wir darüber nur nicht, alle Gruppen und Kirchorte hin und wieder zur gemeinsamen Feier einzuladen: zur Erstkommunion und Firmung, zu Weihnachten, Ostern und zum Gemeindefest.
Von Roland Juchem