21.07.2016
Unterwegs auf der „via sacra“ in der Lausitz und im „unbekannten Böhmen“
Wo der Geist Rübezahls weht
Er ist Johann, „der Ritter, der Furcht und Angst nicht kennt“. Er war „in Versen auf den Fersen“ auf dem Jakobsweg. Er hat Bilder gemalt für den Kreuzweg der Basilika des heiligen Laurentius und der heiligen Zdislava in Jablonné (Böhmen). Johannes Johne ist im „Hauptberuf“ Urlauberpfarrer im Zittauer Gebirge. Von Heike Kaiser.
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Sandsteinformationen im Zittauer Gebirge (Oberlausitz) lassen an den Riesen Rübezahl denken. Foto: Heike Kaiser |
Als „Johann, der Ritter“, empfängt der 60-Jährige die Leserinnen und Leser der Kirchenzeitung im Lausitzer Kurort Oybin. „Wenn ich in diesem Kostüm durch das Dorf gehe, wissen die Leute, dass ich ,der Urlauberpfarrer’ bin. Komme ich in Zivil, erkennt mich hier niemand“, sagt er schmunzelnd.
Burg und Kloster Oybin liegen an der „via sacra“ im Dreiländereck Deutschland-Polen-Tschechien. 16 kirchlich und kulturhistorisch wertvolle Bauwerke sind auf dieser Route verbunden, einige der Stationen sind das Ziel der Leserreise (siehe „Zur Sache“).
Johne ist Urlauberpfarrer geworden aus zwei Gründen: Aus Liebe zur Landschaft – und weil er Menschen zur Kirche bringen will. „Am Pfarrhaus klingelt keiner. Aber wenn ich mit Menschen unterwegs bin, kann ich viele ihrer Fragen beantworten“, erzählt er im Gespräch mit den Leserinnen und Lesern der Kirchenzeitung.
Priester, betont Johne, wollte er schon als Kind werden – oder Kunstmaler. „Aber das war eine brotlose Kunst im Sozialismus.“ Heute hängen seine Bilder unter anderem in der Basilika des heiligen Laurentius und der heiligen Zdislava im nordböhmischen Jablonné. Und Bücher hat er auch geschrieben, zum Beispiel über den spanischen Jakobsweg (siehe „Zitiert“). Um damit den einen oder anderen „für die Kirche“ zu erreichen.
Begegnungen mit Menschen, die etwas zu erzählen haben, machen den Reiz der Leserreisen der Kirchenzeitung aus. In Görlitz trifft die Gruppe auf Bischof Wolfgang Ipolt. Er leitet eine Diözese, die erst 1994 gegründet wurde und in der gerade einmal vier Prozent der Bevölkerung katholisch sind – etwa 29 000. Wenn er mit Menschen spricht, sie nach ihrer Konfession fragt, bekommt Ipolt meistens die Antwort „Ich bin nichts.“ Aber das lässt er nicht gelten: „Ich sage dann: Das stimmt nicht. Du bist ein Mensch Gottes.“
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Urlauberpfarrer Johannes Johne zitiert als „Ritter Johannes“ in der Bergkirche Oybin aus seinem Buch. Foto: Kaiser |
Im Bistum Görlitz werden immer mehr Gemeinden zusammengelegt. „Die Leute sehen das ein, das sind sie in der Diaspora gewöhnt“, sagt Bischof Ipolt. Er ist verantwortlich für 20 Pfarreien, 46 Priester, wovon die Hälfte Ruheständler sind, drei Priesterkandidaten, 15 Gemeindereferentinnen und -referenten, 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bischöflichen Ordinariat. „Davon sind nur drei geweihte Priester: der Generalvikar, der Seelsorgeamtsleiter und ich“, zählt Ipolt auf.
Auf der Route der „via sacra“, wo der Geist Rübezahls weht, lernen die Reisenden ein „unbekanntes Böhmen“ kennen – zum Beispiel den Marienwallfahrtsort Hejnice (Haindorf) mit dem Dom Mariä Heimsuchung, der den Feldaltar Albrecht von Wallensteins beherbergt. Sie besuchen die letzte Ruhestätte der heiligen Zdislava in Jablonné v Podjestedi (Deutsch Gabel) im dortigen Dominikanerkloster. Zdislava von Lemberk gilt als böhmische Patronin der Kranken, Armen und der Familie.
Auf dem Weg liegen außerdem Zittau mit seinen Fastentüchern, die evangelische Brüder-Unität Herrnhut, das Kloster St. Marienthal in Ostritz oder das Heilige Grab in Görlitz. In Bautzen besucht die Reisegruppe nicht nur den Dom St. Petri, sondern auch das berüchtigte ehemalige Stasi-Gefängnis, das heute „Gedenkstätte Bautzen“ heißt. Hier war Manfred Matthies von 1972 bis 1976 politischer Gefangener. Der gebürtige Magdeburger ging 1959 nach West-Berlin und schloss sich dort einer Gruppe von Studenten an, die als Fluchthelfer tätig waren. Matthies hat etwa 90 Menschen von der ehemaligen DDR in den Westen gebracht. Bis er 1972 von der Stasi verhaftet wurde.
Heute kommt der 75-Jährige hin und wieder gerne nach Bautzen. Um hier „mit den berühmten Fragen zum Vergeben“ zu kämpfen.
Zur Sache: „via sacra“
Die „via sacra“ ist eine touristisch erschlossene Route der Euroregion Neiße. Sie umfasst 16 Stationen mit religions- und kunsthistorischen Kulturdenkmälern – unter anderem die Zittauer Fastentücher, Burg und Kloster Oybin, die Evangelische Brüder-Unität Herrnhut, der Dom St. Petri Bautzen, die Zisterzienserinnenabtei St. Marienthal, Heiliges Grab, Kreuzweg und Evangelische Kirche St. Peter und Paul Görlitz und die Basilika des heiligen Laurentius und der heiligen Zdislava Jablonné v Podjestedi (Deutsch Gabel). (kai)
Zitiert: Wie Pilger unterkommen
„Man schläft oft
in großen Sälen,
doch wer Glück hat,
kann auch wählen,
im Hotel zu übernachten,
so, wie wir das letztens
machten.
Pilgert jedoch ,alle Welt’,
dann ist vielleicht
auch ein Zelt,
welches man sich mitgebracht,
Heimstatt für die nächste Nacht.
Wohl so jede Variante,
die ich jetzt gerade nannte,
ist beim Pilgern sehr berechtigt,
darum werde nicht verdächtigt,
dass der gar kein Pilger sei,
welcher, was nicht einerlei,
vorher ein Hotel gebucht,
weil er etwas Ruhe sucht.
Herbergen, so soll man lesen,
sind wohl früher das gewesen,
was wir als Hotels
heut’ kennen.
Die kann ,Herbergen’
man nennen,
bieten, wie am Wege hier,
sie für Pilger Nachtquartier.“
Johannes Johne
Aus: „Der spanische Jakobsweg. In Versen auf den Fersen“, Verlag der Graphischen Werkstätten Zittau 2013, ISBN 978-3-929744-83-5, zehn Euro