25.04.2023
Jahresserie: Klösterreise – Von den Orden lernen
Gehorsam führt in die Freiheit
„Klösterreise – Von den Orden lernen“: Die Jahresserie der Kirchenzeitung führt in Klöster der Region. Heute sind wir bei Pater Max Rademacher im Kloster Frauenberg in Fulda. Der Franziskaner erläutert, was es mit Gehorsam im biblisch-christlichen Verständnis auf sich hat.

Der Begriff „Gehorsam“ ist in der Gesellschaft belastet durch eine tief sitzende Gehorsamskrise. Aber, so fügt Pater Max Rademacher gleich hinzu: „Wenn von Gehorsam im Sinn von ,Befehl ist Befehl‘ die Rede ist, so hat das nichts mit biblischem Gehorsam zu tun.“ Sicher: Auch im kirchlichen Bereich sei Gehorsam manchmal so verstanden worden. Am besten werde dies im Begriff „Kadavergehorsam“ deutlich. Anders gesagt: Der Mensch, von dem solcher Gehorsam gefordert wird, ist wie tot, zeigt keine Regung, handelt wie eine Maschine. Pater Max: „Aber das ist eine Pervertierung von Gehorsam im biblischen Sinn.“
Franz von Assisi setzt auf das Hören vor dem Tun
Foto: Hans-Joachim Stoehr
Das Wort Gehorsam kommt von „gehorchen“ beziehungsweise „horchen“, was ein anderes Wort für „hören“ ist. „Jeder Mensch hat die Fähigkeit, zu hören. Jemand, der nicht hören kann – taub ist –, lernt auch nicht zu sprechen. Er bleibt stumm“, erklärt der Franziskaner. Ein Kind lernt die Sprache durch das Hören. Um dieses Hören gehe es im Gehorsam. Und nicht um ein „Gegängelt werden“.
Der Mensch – im Besonderen der Christ – sei immer ein Hörender, sagt Pater Max. Die Frage sei nur, auf welche Stimme er hört und welcher Stimme er „gehorsam“ ist: seinen Trieben, den gesellschaftlichen Gegebenheiten, dem Konsumdenken, der Werbung. Oder aber er hört auf den Anderen, auf Gott. Dieses Ge-„horchen“ schenkt dem Menschen das höchste Maß an Freiheit. Denn, so der Franziskaner: „Der Mensch wird frei von der Sklaverei des eigenen Herzens.“
Wie aber wird der Mensch zu einem Hörenden? Pater Max verweist auf einen Satz von Franz von Assisi. Dieser schreibt in der Ordensregel mit Blick auf neu eingetretene Brüder: „Ist das Probejahr vorbei, dann sollen sie zum Gehorsam angenommen werden.“ Ersetzt man das Wort „Gehorsam“ durch „Leben“, wird deutlich, worum es Franziskus geht. Pater Max: „Für ihn ist der Gehorsam eine Lebensform, eine Art und Weise, zu leben.“ Der Mann aus Assisi macht es mit seiner eigenen Lebensgeschichte vor: „Franziskus fordert die Priorität des Hörens vor dem Tun. Er hört die Botschaft vom Kreuz in San Damiano ,Bau meine Kirche wieder auf!‘ Und erst danach handelt er, setzt das Gehörte in die Tat um.“
Hören bedeutet für Franziskus: auf Gott und sein Wort – die Heilige Schrift – hören, aber auch auf die Brüder, die Gemeinschaft, die Kirche. Und selbst die „stumme“ Schöpfung ist in dieses Hören mit einbezogen, wie der „Sonnengesang“, der Lobpreis des Franziskus auf die Schöpfung.
Dieses Hören, Horchen, Gehorchen ist für Franziskus auch wesentlich für die Gemeinschaft der Brüder beziehungsweise Schwestern. Dabei orientiert sich der Ordensgründer am Evangelium. Jesus sendet seine Jünger nicht allein, sondern immer zu zweit aus. Pater Max: „Der Gefährte und Begleiter ist für die christliche / franziskanische Lebensform unersetzbar. Man soll nie allein, sondern mindestens zu zweit durch die Welt ziehen.“
Übrigens: Auch Franziskus selbst wollte nie allein sein, auch nicht in den Einsiedeleien. Immer musste einer da sein, dem er zuhören darf, der ihm den Willen Gottes und der Gemeinschaft vermittelt. Pater Max: „Er ist der Stellvertreter der Gemeinschaft, notwendig, um den Standort nicht zu verlieren: den Standort des Hörens, Horchens und Gehorchens. Dies gilt für Franziskus selbst dann, wenn der Gefährte um vieles jünger ist, gänzlich unerfahren ist und ein Neuling in der franziskanischen Lebensweise.“
Franziskus und die auf ihn gründenden Ordensgemeinschaften stehen dabei zutiefst auf biblischem Fundament. So betont Paulus: „Der Glaube kommt vom Hören“ (Römerbrief 10,17). Und Jesus sagt: „Achtet auf das, was ihr hört“ (Markus 8,34). Dabei fußt die Botschaft des Evangeliums auf dem Fundament des Bundes Jahwes mit Israel. Pater Max verweist auf das „Glaubensbekenntnis“ der Juden. Dieses beginnt mit dem Satz: „Höre Israel, Gott unser Gott ist einzig … “ (Deuteronomium 6, 4 – 9). Der Franziskaner ergänzt dazu: „Erst im Hören und Horchen können wir etwas von dem verstehen, wer Gott für uns ist, dem wir dann gehorsam sind.“
Das Hören im Sinne von Zuhören kann für Menschen heilsam sein. Als geistlicher Begleiter hört Pater Max immer wieder, wie „not-wendend“ es sein kann, wenn einer da ist, der einfach nur aktiv zuhört. Das allein kann heilsam sein. Für die Kirche heißt das: Da zu sein für Menschen, die jemanden brauchen, der ihnen zuhört. Und wie viele Menschen gibt es, die niemanden haben, der da ist und ihnen einmal zuhört.
"Freiheit erfahren, wenn wir Gott mehr gehorchen als den Menschen"
Das Kloster Frauenberg ist in der Region Fulda als Beichtzentrum bekannt. Pater Max weiß, dass viele sich einfach nur einmal aussprechen wollen bei jemandem, der ihnen zuhört. Das könne über alles sein, was den Menschen auf der Seele liegt, wo Redebedarf besteht.
Der Ordensmann ist überzeugt, dass christlicher Gehorsam in unseren Tagen eine große Aufgabe haben kann. Denn: „Immer mehr besonders junge Menschen geraten in Abhängigkeiten und Süchte. Biblischer Gehorsam will in die Freiheit führen. Eine Freiheit, die wir erfahren, wenn wir Gott mehr gehorchen als den Menschen.“
HINTERGRUND
Bußfertige zieht es zum Frauenberg
Franziskaner und Fulda – das hat seit 400 Jahren einen Namen: Frauenberg. Das Kloster auf der Erhebung nördlich von Dom und Innenstadt ist eine bekannte kirchliche Anlaufstelle für die Menschen in der Region und darüber hinaus. Die Franziskaner gibt es allerdings schon länger in der Stadt. 1237 kamen die ersten Minderbrüder nach Fulda.
Die Beweggründe, zum Frauenberg zu kommen, sind recht unterschiedlich. Das fängt bei Touristen an, die den Berg erklimmen wegen des tollen Ausblicks auf die Stadt, die einem zu Füßen liegt. Bereits Bonifatius begab sich gern auf die Erhebung nördlich der Innenstadt. Von dort hatte er einen guten Überblick über die Bauarbeiten an seiner Klostergründung.
Das Kloster auf dem Frauenberg ist in der Region vor allem bekannt und gefragt als Beichtzentrum. Beispielsweise vor Ostern herrscht Hochbetrieb für die Franziskanerpatres, wenn zahlreiche Männer und Frauen zum Empfang des Bußsakraments auf den Frauenberg kommen. Und manche suchen den Ort auf, um ein paar Tage lang etwas für ihre Seele zu tun in Form von geistlichen Übungen oder Besinnungstagen. Weniger bekannt ist, dass bis 1968 auf dem Frauenberg eine Ordenshochschule bestand. Und: Von hier aus brachen Brüder auf in die Mission nach Japan (ab 1906) und Brasilien (1937).
Das geistliche Leben neu ausrichten, darum geht es auch bei den Gemeindemissionen. Dazu gingen Franziskaner immer wieder vom Frauenberg hinab in Kirchengemeinden. Vor Ort gaben sie den Menschen Impulse, sich neu auszurichten auf das Wesentliche im Leben: die Verbindung mit Gott und das Leben aus dem Evangelium. Vorbild war für sie dabei ihr Ordensgründer Franz von Assisi.
Ganz im Sinn des Ordensgründers ist auch die Zusammenarbeit der Franziskaner mit dem Netzwerk „antonius“ in Fulda seit 2016. So werden eine Schneiderei und eine Gärtnerei auf dem Klostergelände betrieben. Mit dem Klostercafé Flora gibt es einen Ort, der eine der schönsten Aussichten in Fulda bietet. (st)
ZITIERT
Gehorsam
„Regel und Leben der Minderen Brüder ist dieses, nämlich unseres Herrn Jesu Christi heiliges Evangelium zu beobachten durch ein Leben in Gehorsam, ohne Eigentum und in Keuschheit.“
„Ist aber das Probejahr beendet, sollen sie zum Gehorsam angenommen werden, indem sie versprechen, dieses Leben und diese Regel immer zu befolgen.“
„Und jene, die den Gehorsam schon versprochen haben, sollen einen Habit mit Kapuze und, falls sie ihn haben wollen, einen anderen ohne Kapuze haben. Und die durch Not gezwungen sind, können Schuhwerk tragen.“
Regel der Franziskaner, die Papst Honorius III. 1223 unterzeichnet hat.
Von Hans-Joachim Stoehr